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Ein Pfleger hält in einem Alten-und Pflegeheim die Hand einer Bewohnerin.

© picture alliance / dpa

Vorstoß zur Regelung der Sterbehilfe: Der Tod kann nicht so einfach verboten werden

Bundestagsabgeordnete planen eine Wiederauflage des vom Verfassungsgericht gekippten Strafgesetzes. Aber für Strafe ist hier kein Raum. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Zu den Jahresbilanzen, die eher wenig Schlagzeilen machen, gehören die von assistierten Suiziden. Die vom „Verein Sterbehilfe“ etwa, mit Sitz der Geschäftsstelle in Zürich und einem „Deutschlandbüro“ in Hamburg. Die 1200 Vereinsmitglieder können sich nach Prüfung ihres Sterbewunsches oral oder intravenös in den Tod befördern lassen.

In 129 Fällen ist dem auf dem Gebiet der Bundesrepublik entsprochen worden, meldet der Verein in seinem „Jahresrückblick in Zahlen“. Das jüngste Mitglied sei 18, das älteste 99 Jahre. Frauenanteil: 56 Prozent. Acht Verstorbene galten als „gesund“. Bemerkenswert: „Sieben Doppelsuizide von Ehepaaren, die ihr Leben gemeinsam beenden wollten.“

Muss man das stoppen? In diese Richtung geht der erste Vorstoß zur Neuregelung der Sterbehilfe in der neuen Legislaturperiode. Er kommt von den Abgeordneten Lars Castellucci (SPD), Benjamin Strasser (FDP), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Ansgar Heveling (CDU/CSU) sowie Kathrin Vogler (Die Linke). Unterstützt wird er unter anderem von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne).

Derzeit werden weitere Unterschriften gesammelt, um den Entwurf im Plenum behandeln zu lassen. Vergangene Woche haben sich die Beteiligten einen Termin in der Bundespressekonferenz besorgt. Es wird klar: Dieser Auftakt soll die künftige Debatte bestimmen.

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Die ist heikel. Vor zwei Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht Paragraf 217 Strafgesetzbuch gekippt, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung verbot. Mit ihm sollte den Sterbehilfevereinen das Handwerk gelegt werden. Die Karlsruher Richterinnen und Richter nahmen das Verfahren zum Anlass, ein „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ festzustellen, das sie aus dem im Grundgesetz geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet haben.

Wie und wodurch man stirbt, war damit auch eine Frage der Menschenwürde. Paragraf 217 vertrug sich damit nicht, weil er, so die Richterinnen und Richter „die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert“.

Der Entwurf ist der Versuch, Grenzen auszuloten

Seitdem arbeiten sich die Abgeordneten daran ab, eine Alternative zu finden. Der Entwurf aus dem Castellucci-Lager ist der Versuch, die Verbotsgrenzen auszuloten, die das Gericht gerade noch gelassen hat. So hieß es im Urteil ausdrücklich, der Gesetzgeber dürfe die „Zuverlässigkeit von Suizidhilfeangeboten sichern“ – auch mit den Mitteln des Strafrechts.

[Lesen Sie auch: Assistierte Sterbehilfe: „Wer wäre ich, ihnen die Hilfe zu verweigern?“ (T+)]

Entsprechend soll es wieder strafbar werden, anderen beim Suizid professionell zu helfen. Allerdings gibt es eng geführte Ausnahmen, wenn fachärztliche Pflichtuntersuchungen und eine weitere Pflichtberatung wahrgenommen werden. Hinzu kommt eine Wartezeit. Dann soll der Tod für den Helfer straflos sein.

So hatte es sich das Bundesverfassungsgericht nicht vorgestellt

Es mag sein, dass ein solches Gesetz in Karlsruhe unbeanstandet bleibt. Aber eine Regelung, wie das Gericht sie sich vorgestellt hatte – ausgerichtet am „Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten“ – ist es nicht. Eher versucht es, Menschen von ihrem Todeswunsch abzubringen.

Das ist legitim, wenn es ohne Pflichten und Strafdrohung auskommt. So ist der Entwurf des neuen Gesetzes nicht mehr als eine entschärfte Variante des alten. In seiner Moralität wirkt es bevormundend. Es gehört in eine Zeit, die vergangen ist.

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