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Präsidentenwahl in der Ukraine: Stimmabgabe in Kiew

© AFP/Sergei Gapon

Wahlen in der Ukraine: Das vergessene Land dazwischen

Europa hat die große Chance vertan, die Ukraine von der Demokratie zu überzeugen - und das Land damit letztlich Wladimir Putin überlassen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Herold

Die Ukraine wählt ihren Präsidenten, und es gibt Gründe zur Klage: stagnierende Reformen, Korruption, den Stil der Auseinandersetzungen, Manipulationen. Das liegt am weitgehenden Versagen der politischen Klasse und vor allem am Krieg im Osten des Landes. Aber es gibt auch Gründe für Respektsbekundungen. Egal, wen die Ukrainer zu ihrem nächsten Staatsoberhaupt bestimmen, das Land hat sich zumindest politisch aus der „russischen Welt“, einer Welt von autoritären Machtvertikalen und allgegenwärtigen Kontrollsystemen gelöst.

Die Beziehungen zwischen Kiew und Moskau sind der Schlüssel für eine Stabilisierung der Ukraine. Sie berühren gleichzeitig den Kern der Machtkonzeption Wladimir Putins. Und der heißt „ultra-patriotische Mobilisierung“. Die Ukraine dient dem russischen Präsidenten zur Demonstration von Überlegenheit – nicht nur gegenüber den Nachbarn, sondern auch gegenüber dem Westen. Derzeit sinken die Zustimmungsraten für Putin, auch deshalb braucht er weiter Instabilität in der Ukraine. So kann er den Russen zeigen, dass der Wunsch nach demokratischen Verhältnissen zu Unsicherheit und Chaos führt.

Dies als Unsinn zu entlarven, hätte der Westen eine historische Chance gehabt. Dafür aber hätte er sich für die Ukraine wirklich interessieren müssen. So wurde diese Chance jämmerlich verspielt, weil Westeuropa viel zu sehr mit seinen inneren Widersprüchen beschäftigt war und damit, jedwede weitere Konfrontation mit Putin zu vermeiden.

Von Berlin oder Brüssel aus gesehen, liegt Moskau näher als Kiew. Die Ukraine ist „das Land dazwischen“. Längst vergessen ist, warum die jungen Ukrainer im Winter 2013/14 den Aufstand probten. Sie wollten nach einem Vierteljahrhundert der Unabhängigkeit und zwei gescheiterten Aufständen für die Demokratie – der Granit-Revolution von 1990 und der Orange Revolution 2004 – endlich ein Ende der autoritären Herrschaft verschiedener Gruppen von Oligarchen, die einander an der Macht ablösten.

Das ist bis jetzt nicht gelungen. Wenn nicht auch der dritte ukrainische Aufstand scheitern soll, braucht das Land nicht nur innere Stärke, sondern auch echte Hilfe.

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