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Irgendwann nicht mehr? Die CSU sieht sich durch die Ampel-Wahlrechtsreform bedrängt.

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Wahlrechtsreform der Ampel: Reichen die Argumente der CSU für einen Erfolg vor Gericht?

Die Christsozialen erwägen eine Verfassungsklage, weil sie ihre bundespolitische Existenz gefährdet sehen. Die Frage ist, ob die große Empörung bis nach Karlsruhe wirkt.

Die CSU ist empört. Der Coup der Ampel-Koalition, die sogenannte Grundmandatsklausel aus dem Wahlgesetz zu streichen, hat die Partei hart getroffen. Zwar sagt Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, dass ein Ende der Begünstigungsregel für seine Partei nur „theoretisch“ gilt. Immerhin brauchte die CSU die Krücke der Klausel bisher nie, um in den Bundestag zu kommen.

Die Regelung besagt, dass eine Partei, welche die Fünfprozenthürde nicht schafft, dennoch in den Bundestag kommt, wenn sie mindestens drei Direktmandate errungen hat. Das war für die CSU noch nie ein Problem, 2021 hatte sie 45. Aber bei der Wahl lag sie mit 5,2 Prozent bundesweit so knapp wie nie oberhalb der Zugangshürde.

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Und deshalb ist das Streichen der Klausel nun eine Art Nahtod-Erfahrung für die CSU. Politiker der Ampel-Koalition wundern sich – und verweisen nun gern darauf, dass es in Bayern im Landeswahlgesetz eine solche Klausel auch nicht gebe. Sie fragen, warum im Bund verfassungswidrig sein solle – das ist der Vorwurf der CSU – , was in Bayern offenkundig unproblematisch ist?

In Bayern gilt die Fünfprozenthürde ohne Wenn und Aber. Das steht sogar in der Landesverfassung. In der lautet der Artikel 14: „Wahlvorschläge, auf die im Land nicht mindestens fünf vom Hundert der insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen entfallen, erhalten keinen Sitz im Landtag zugeteilt.“ Im Wahlgesetz steht das entsprechend, eine Ausnahme ist auch dort nicht vorgesehen.

Für Dobrindt ist das kein Argument. Das Wahlrecht in Bayern sei schließlich ein ganz anderes. Denn im Süden würden Erst- und Zweitstimmen der Parteien jeweils addiert, um darüber das Sitzverhältnis im Landtag zu bestimmen.

So gesehen besteht tatsächlich ein Unterschied: Im Bund soll es nach dem Willen der Ampel keinen Einfluss der Erststimmen auf die Sitzverteilung mehr geben. Der hatte sich bisher aus den Überhängen ergeben. Eine Direktmandatsgarantie für Parteibewerber gibt es nicht mehr, in Bayern besteht diese jedoch weiterhin.

Verfassungsrechtlich zweifelhaft

Aber was folgt verfassungsrechtlich daraus? Ein Argument für das Beibehalten der Grundmandatsklausel lässt sich daran nicht knüpfen. Es gilt demnächst im Bund eben das, was in Bayern auch gilt – keine Ausnahme mehr von der Regel. Die Verfassungsklage in Karlsruhe wird dennoch erwogen. Sollte sich nicht die gesamte Unionsfraktion dahinter versammeln, kann diese auch von der bayerischen Staatsregierung eingereicht werden.

Unter Verfassungsjuristen gilt das Streichen der Klausel jedoch als unproblematisch. So sieht es etwa Sophie Schönberger von der Universität Düsseldorf. Und auch zwei von der Union benannte Sachverständige, Stephanie Schmahl (Würzburg) und Philipp Austermann (Speyer), vertraten in der Anhörung zum Gesetz die Ansicht, dass nach dem Ampel-Modell die Grundmandatsklausel verfassungsrechtlich zweifelhaft sei. Denn über sie bekommen die Erststimmen dann doch wieder Einfluss auf die Gesamtzusammensetzung des Parlaments.

Föderale Schutzklausel?

Dobrindt hat daher ein zweites Argument in die Debatte gebracht. Demnach ist die Grundmandatsklausel durch das Bundesstaatsprinzip im Grundgesetz geschützt. Nach dieser Lesart dient sie Parteien mit einem regionalen Schwerpunkt – und der macht sich nach Ansicht des CSU-Politikers an den Direktmandaten fest.

Aber müssen Parteien, die nur in einem Land antreten wollen, und diese Selbstbeschränkung ist ja eine Entscheidung der CSU, einen föderalen Schutzstatus bekommen? Aus dem Grundgesetz lässt sich das wohl kaum ableiten.

Die Linie des Verfassungsgerichts war bisher, dass der Gesetzgeber sich im Wahlgesetz zwar an föderalen Belangen orientieren darf. Aber er muss nicht, und ob und wie er das tut, ist seine Sache.

Der CSU steht es im Übrigen frei, sich über Bayern hinaus um Stimmen zu bewerben. Sie vertritt auch keineswegs ausschließlich regionale Belange. Ihrem Selbstverständnis nach ist sie eine Partei mit gesamtdeutschem Anspruch. Als Partei einer nationalen Minderheit wird man sie schwerlich ansehen können.

Ein Ausscheiden der CSU aus dem Bundestag wegen Scheiterns an der Fünfprozenthürde hätte natürlich gravierende Auswirkungen. Aus Sicht der Union im Bundestag (CDU und CSU bilden ja traditionell eine Fraktionsgemeinschaft) wäre das so, als ob einer der stärksten Landesverbände nichts zum Wahlergebnis beisteuert. Dagegen würden Grüne, SPD, FDP und AfD im Bundestag wohl etwas gestärkt.

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