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Jubel bei den Anhängern von Sebastian Kurz bei der Wahl in Österreich

© AFP/Joe Klamar

Wahlsieg der ÖVP in Österreich: Ein Triumph für Sebastian Kurz

Ex-Kanzler Kurz dürfte das Ergebnis der Nationalratswahl als Bestätigung seiner Politik sehen – und sich die alte Koalition zurückwünschen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Rache ist in der Politik ein schlechtes Handlungsmotiv. Das Ergebnis der Parlamentswahl in Österreich zeigt das wieder einmal. Die FPÖ hatte mit Hilfe der oppositionellen SPÖ Bundeskanzler Sebastian Kurz von der ÖVP gestürzt und sich so für das Ende der Koalition revanchieren wollen. Bei den Neuwahlen verlor sie jetzt deutlich Stimmen, nicht nur wegen der Skandale und massiver Bestechungsvorwürfe. Die Wahl war gleichzeitig ein Triumph für Sebastian Kurz. Der Stimmenzuwachs der ÖVP ist vor allem ein Votum für Kurz gewesen.

Vom Wahlkampf des Jahres 2017 war der Eindruck geblieben, dass fast jedes Problem, das die Österreicher drückt, gelöst werden könne, wenn man die ungebremste Einwanderung aus anderen Kulturräumen in den Griff bekäme. Das gelang Kurz, als er die Balkanroute schloss. Frei von Problemen ist Österreich dadurch natürlich nicht geworden, weil die Kurzsche Interpretation der Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung zu populistisch war.

Die Wunschkoalition wäre immer noch dieselbe

Jetzt hatte der Klimawandel in der Liste der Top-Wahlkampfthemen die Migrationsfrage abgelöst. Auch da schaffte es Kurz, die Debattenhoheit zu behalten. Das gelang ihm vor allem, weil er es versteht, komplexe Zusammenhänge in unterkomplexer Sprache vereinfacht darzustellen.

Nicht nur bei diesem Thema liegt ihm und der auf seine Person zurechtgeschnittenen ÖVP der bisherige Koalitionspartner, die FPÖ, am nächsten, ungeachtet der Ohrfeige, die die Wähler der FPÖ verpassten. Wiener Beobachter sagen, die beiden Parteien könnten den letzten Koalitionsvertrag einfach weiter schreiben, um das Umweltthema erweitert.

Die Verwicklungen und Verbindungen der FPÖ ins völkische Milieu, die latente Sympathie für faschistoide Haltungen, und die von Kritikern als Skandal empfundene Vorgänge wie jene, die in dem Ibiza-Video zu Tage traten, empören Sympathisanten der FPÖ weniger. Die russlandfreundlichen Ansichten des zum Rücktritt gezwungenen freidemokratischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache stoßen in Österreich auf breite Zustimmung. Die Geringschätzung demokratischer Institutionen wird nicht nur bei der FPÖ, sondern auch bei Sebastian Kurz selbst deutlich.

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EU-weit ideologische Wahlverwandtschaften

Dass er im Parlament durch eine Mehrheit von SPÖ und FPÖ gestürzt wurde, interpretierte er als Missachtung des Volkswillens. Sein Wahlergebnis vom Sonntag wird er als Bestätigung empfinden.

Österreich ist zu klein, um die tradierten Werte der Europäischen Union zu zerstören. Aber es ist groß genug, um an den Fundamenten zu nagen. Sebastian Kurz und seine zu vermutende Lieblingskoalition stehen in Europa nicht alleine. In Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, in Italien, Frankreich und in Deutschland trifft er auf ideologische Wahlverwandtschaften. Nicht zuletzt der Not leidenden deutschen „großen“ Koalition zeigt das Beispiel Österreichs, wohin die vermeintliche Alternativlosigkeit solcher Allianzen führen kann. In Frankreich hat Emmanuel Macron mit seiner Gruppe „En Marche“ den Absturz von Demokratie und Rechtsstaat vorerst bremsen, vielleicht verhindern können. Beseitigt ist die Gefahr längst nicht.

Der Historiker Heinrich August Winkler hat in seinem jüngsten Werk die westlichen Werte Europas als ein „weltgeschichtlich einzigartiges Ensemble von Errungenschaften gefeiert“. Dass es gefährdet ist, hat er nicht verschwiegen.

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