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Mevlüt Cavusoglu will die zögerliche Gewährung von EU-Visa für türkische Staatsbürger nicht hinnehmen.

© dpa

Warten auf das Visum: Bürger der Türkei erhalten immer öfter keine Einreise-Erlaubnis für die EU

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu will deswegen Botschafter von Schengen-Staaten einbestellen und droht mit Gegenmaßnahmen.

Vor dem deutschen Generalkonsulat in Istanbul hockt eine elegant gekleidete Geschäftsfrau auf einem Blumenkübel und wartet. Alle ein, zwei Stunden steht sie auf, geht zum Eingang und spricht die Wachen an, doch die schütteln den Kopf: Ohne Termin kommt sie nicht rein. Das sei ihr schon klar, sagt Nagihan Gülser, doch sie wisse keinen anderen Weg mehr.

Als Vertriebsleiterin einer Auto-Zulieferfirma im westtürkischen Bursa müsse sie in wenigen Tagen bei einer wichtigen Fachmesse in Frankfurt sein, warte aber seit Wochen auf ihr Visum. Weil ihre E-Mails und Anrufe unbeantwortet blieben, sei sie nun nach Istanbul gekommen, um persönlich nachzufragen.

Die Türkei klagt, dass es für ihre Bürger immer schwieriger werde, nach Europa zu reisen. Anträge auf Visa für die Schengen-Staaten werden öfter als früher abgelehnt oder so spät bearbeitet, dass der Anlass der Reise schon vorbei ist. Geschäftsleute und Wissenschaftler verpassen Messen und Konferenzen, Familien kommen nicht zu Hochzeiten.

Cavusoglu droht mit Gegenmaßnahmen

Außenminister Mevlüt Cavusoglu will nun die Botschafter von Deutschland und anderen EU-Staaten vorladen, um Protest einzulegen. Lange Wartezeiten und hohe Ablehnungsraten seien Ergebnis einer „absichtlichen“ Politik, sagte der Minister dem TV-Sender Haber Global: Der Westen wolle Präsident Recep Tayyip Erdogan vor den Wahlen im kommenden Jahr in Schwierigkeiten bringen. Schließlich gehört Reisefreiheit für Türken zu dessen Hauptforderungen an die EU.

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Wenn sich die Lage nach der Verwarnung der Botschafter nicht bessere, werde die Türkei Gegenmaßnahmen ergreifen, sagte Cavusoglu. Wie die aussehen sollen, sagte er nicht.

Für die Geschäftsfrau Gülser vor dem deutschen Konsulat in Istanbul kommt das zu spät. Eine Katastrophe wäre es für ihr Unternehmen, wenn sie nicht zur Messe könnte, sagt Gülser. Die Firma ist dort angemeldet, hat einen Stand reserviert und bezahlt und Paletten voller Ware hingeschickt. Hotelzimmer und Flüge sind bezahlt, Termine mit Firmenvertretern aus acht Ländern verabredet. „Das ist wirklich zum Verzweifeln“, sagt sie.

Warum sie kein Visum bekommt, ist Gülser schleierhaft. „Ich habe schon oft Visa beantragt und bekommen, normalerweise dauerte das drei Tage“, sagt sie. „Aber jetzt warte ich schon wochenlang und bekomme keine Antwort.“ Sie kennt Kollegen, die seit sechs Wochen auf Antwort warten; andere erhielten einen ablehnenden Bescheid.

Inflation und Repression treiben Türken in die Flucht

Dass so viele Türken nicht nach Europa reisen dürfen, liegt nach Meinung von Experten an der steigenden Zahl türkischer Asylbewerber. Wirtschaftskrise und politische Repression treiben immer mehr Türken aus dem Land – daher würden türkische Visa-Anträge mit Skepsis betrachtet, so der deutsch-türkische Anwalt Memet Kilic zum Tagesspiegel.

Deutsche Behörden befürchten also, dass viele türkische Reisende nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren werden, wenn sie einmal hier sind. Dem Informationsdienst SchengenVisaInfo zufolge verdoppelte sich der Anteil der Ablehnungen türkischer Visumsanträge für den Schengen-Raum binnen drei Jahren.

Der EU-Botschafter in Ankara, der deutsche Diplomat Nikolas Meyer-Landrut, betonte, es gebe keine politischen Gründe für Visumsentscheidungen. Ihm zufolge wurden 2021 im EU-Durchschnitt 16 Prozent der türkischen Anträge zurückgewiesen, nur wenig mehr als der weltweite Schnitt von 13 bis 14 Prozent. Viele Anträge aus der Türkei enthielten unvollständige oder falsche Angaben, so Meyer-Landrut.

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