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Marco Buschmann (FDP), als Bundesjustizminister für das Strafrecht zuständig.

© Wolfgang Kumm/dpa

Strafrecht gegen das Patriarchat: Warum der Justizminister überall Ehrenmörder sieht

Marco Buschmann will mit dem Wort „geschlechtsspezifisch“ im Gesetz Frauen vor Gewalt von Männern schützen. Er könnte deutlicher werden. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Justizminister Marco Buschmann (FDP) ist bei der Vorstellung seines neuen Strafgesetzentwurfs schwer zu widersprechen: Das Ausmaß frauenfeindlicher Gewalt sei erschütternd, sagt er. „Geschlechtsspezifische Gewalt“ müsse „mit der gebotenen Strenge bestraft werden“. Keine Frau gehöre ihrem Partner, kein Mann dürfe sich anmaßen, über das Leben einer Frau zu bestimmen.

Man wünschte, das Strafrecht könne daran etwas ändern. Kann es das? Buschmann versucht es so, wie es die Koalition verabredet hat: Die negativ bewerteten „Beweggründe“ für eine Straftat werden in den in Paragraf 46 des Strafgesetzbuchs (StGB) festgelegten „Grundsätzen der Strafzumessung“ um „geschlechtsspezifische, gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Beweggründe ergänzt. So etwas gab es noch nie. Vorher war dort nur von rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen die Rede. Nun sollen vor allem frauenfeindliche sowie schwulen- und lesbenfeindliche Motive berücksichtigt werden.

Es geht vor allem um Gewalt in Partnerschaften

Dass deutsche Gerichte sich daraus bisher nichts gemacht haben, behauptet nicht einmal der Gesetzentwurf aus Buschmanns Haus. Die Justiz bewerte so etwas als „menschenverachtend“. Das Ministerium hält dagegen, das dies nicht ausreiche, weil es Aspekte gerade der Gewalt in Partnerschaften übergehe. Diese sieht Buschmann im männlichen Herrschafts- und Besitzanspruch gegenüber Frauen. Der Bundesgerichtshof habe dies zwar auch aufgegriffen, jedoch, so scheine es, nur bei Fällen, in denen ein Täter aus einem Kulturkreis stamme, „in dem die Gleichberechtigung der Geschlechter unterentwickelt ist“. Man kann das Vorhaben also so zusammenfassen: Die Strafzumessung beim „Ehrenmord“ soll auch auf deutsche Männer ausgeweitet werden, die ihre Frauen töten.

Ein Erfolg für Interessengruppen, weniger eine Hoffnung für Frauen

Positiv daran ist die richtige Einsicht, dass kulturelle Rückständigkeit keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal in der islamischen Welt ist. Das gewalttätige Patriarchat gibt es auch bei uns. Buschmann sagt ihm den Kampf an. Seine Waffe dafür ist das Wort „geschlechtsspezifisch“ und möglicherweise der Glaube, dass die Änderung in Paragraf 46 StGB in derart rückständigen Kreisen, „in denen die Gleichberechtigung der Geschlechter unterentwickelt ist“, umfassend zur Kenntnis genommen wird.

Das ist natürlich naiv, und naiv ist der Minister nicht, weshalb der Wert des Projekts symbolisch gemeint ist und auch bleiben wird: Das Strafrecht bekommt einen feministischen Zug und liegt damit im politischen Mainstream. Es ist vor allem ein Erfolg für Interessengruppen, nicht unbedingt eine neue Hoffnung für Frauen, die Opfer von Gewalttaten werden. Wenn es aber zumindest ein starkes Symbol sein soll, fragt man sich, warum Buschmann die neuen niedrigen Beweggründe nicht als das beschrieben hat, was sie tatsächlich sind: frauenfeindlich.

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