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Die Briten halten sich wieder mehr draußen auf, wie hier in einem Restaurant im Londoner Stadtteil Soho.

© dpa/Tayfun Salci/ZUMA Press Wire

Update

Warum sinken die Corona-Fallzahlen?: Der überraschende Knick in der britischen Inzidenz-Kurve

Die Sieben-Tage-Inzidenz in Großbritannien geht trotz weiterer Lockerungen am „Freedom Day“ zurück. Doch das könnte sich schon bald wieder umkehren.

Von Thomas Sabin

Da ist er, der lang ersehnte Knick in der Corona-Inzidenz-Kurve, auf den die Briten ungeduldig warten mussten. Nach einem rapiden Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz, der sich von Ende Mai bis fast Ende Juli erstreckte, sieht es seit nun schon fünf Tagen nach einer Entspannung der Lage aus. Doch der Schein könnte trügen.

Das weiß auch Sajid Javid, der vor wenigen Wochen das Amt des Gesundheitsministers übernommen hat und zuletzt mit einer Aussage zu Corona Kritik auf sich zog. „Bitte lasst euch impfen, wenn ihr es noch nicht getan habt, während wir lernen, mit dem Virus zu leben, anstatt uns davor wegzuducken“, twitterte Javid.

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Die Organisation Covid-19 Bereaved Families for Justice, die Angehörige von an Covid-19 Gestorbenen vertritt, bezeichnete den Kommentar als „zutiefst unsensibel“, wie die BBC am Sonntag berichtete. Die Kritik bezog sich vor allem auf Javids Wortwahl: Er hatte das englische Wort „cower“ benutzt, das sich im Deutschen mit „wegducken“ oder „kauern“ übersetzen lässt.

„Worte sind wichtig, und die Leichtfertigkeit und Nachlässigkeit dieser Aussage hat tiefes Leid verursacht“, sagte der Mitgründer der Organisation, Jo Goodman. Auch der Labour-Politiker David Lammy kritisierte Javid und warf ihm vor, Menschen zu verunglimpfen, die sich und ihre Familien einfach nur schützen wollten. Immerhin seien unter der konservativen Regierung 129.000 Briten an Covid gestorben.

Pendler, von denen einige keinen Mund-Nasen-Schutz tragen, stehen an der Westminster Underground Station nachdem die letzten Corona-Maßnahmen aufgehoben wurden.
Pendler, von denen einige keinen Mund-Nasen-Schutz tragen, stehen an der Westminster Underground Station nachdem die letzten Corona-Maßnahmen aufgehoben wurden.

© dpa/Yui Mok/PA Wire

Die Frage, die aktuell viele Briten umtreibt, ist: Kommen zu diesen Toten bald viele neue hinzu?

Mit Sicherheit zu beantworten, ist diese Frage aktuell nicht. Vor allem, weil die Inzidenzwerte wieder sinken. Lag die Inzidenz am 21. Juli noch bei 502, so war der Wert vier Tage später auf 403 gesunken. Das zeigen Tagesspiegel-Zahlen. Zwischen dem 20. und 26. Juli hatten insgesamt 252.875 Personen ein positives Testergebnis. Das ist ein Rückgang um 21,5 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Das geht aus Daten der britischen Regierung hervor.

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Doch woher kommt der Rückgang bei den Inzidenzwerten? Und ist er von Dauer, oder klettern die Zahlen schon bald wieder nach oben?

Die Antwort auf diese Fragen ist ebenfalls nicht ganz einfach. Mehrere Einflüsse könnten auf die Kurve einwirken. Und dass der Schein trügt, belegen bereits die vielen Ansteckungszahlen in Großbritannien. Die sind weiterhin hoch. Das zeigt beispielhaft die aktuelle Lage im öffentlichen Personennahverkehr. Wie der „Spiegel“ berichtet, sagen Verkehrsunternehmen bereits Fahrten ab oder ändern die Fahrpläne.

In London seinen demnach am Wochenende zwei U-Bahn-Linien gar nicht erst gefahren. Der Grund: 300 Mitarbeiter:innen mussten wegen Coronakontakten zu Hause bleiben. Häusliche Quarantäne wurde angeordnet. Das galt auch für jene Betroffenen, die bereits zwei Mal geimpft wurden.

Die sogenannte „Pingdemie“, wie britische Medien aufgrund des Warntons der landeseigenen Corona-App titeln, bringt einige Branchen in problematische Lagen. So blieben schon Lebensmittelregale leer und Mülltonnen vor den Häusern stehen, heißt es weiter.

Gewiss ist: Nicht überall im Königreich fielen die Inzidenzen an jenem Tag, an dem die Inzidenzkurve für ganz Großbritannien wieder nach unten zeigte, sondern eine Zeit lang nur in Schottland, während sie in England, Wales und Nordirland weiter stiegen.

Inzidenzen in England, Wales und Nordirland stiegen weiter

In England beispielsweise begannen die Fallzahlen erst später zu fallen. Am Höhepunkt der dritten Welle, am 17. Juli, verzeichnete das Land rund 50.000 neue Fälle. Neun Tage später fiel die Zahl auf rund 25.000. In den meisten schottischen Kommunen verzeichnet man dagegen schon früher einen Rückgang der positiven Fälle. Bereits am 2. Juli fielen die Fallzahlen von rund 4000 auf etwa 1200 Fälle am 25. Juli.

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Ein Grund für die frühe, nach unten zeigende schottische Kurve könnte sein, dass die Schotten die Schulen früher geschlossen haben. Das vermutet Kit Yates, Autor und mathematischer Biologe an der Universität von Bath. Wenn die Schulen auch dort wieder geöffnet werden, könnte die Kurve wieder einen anderen Weg nehmen, mutmaßt er.

[Mehr zum Thema: Diese Gefahr geht von der Delta-Variante aus (T+)]

Auch das Wetter könnte seiner Meinung nach eine Rolle spielen. In den vergangenen Tagen herrschten sommerliche Temperaturen in Großbritannien, die Sonne zeigte sich. Das könnte dazu geführt haben, dass mehr Menschen sich nach draußen begeben haben. Dort verfliegen die Aerosole deutlich besser, die Ansteckungsgefahr ist geringer.

Angst wegen „Freedom Day“-Lockerungen

Zudem gab es bei den Corona-Tests einen Rückgang. Am 25. Juli wurden insgesamt 791.044 Tests gemeldet, 10,1 Prozent weniger als in der Vorwoche. Und je weniger getestet wird, desto weniger positive Fälle können registriert werden.

Auch die hohen Infektionszahlen, schreibt Yates weiter, die es trotz des Knicks in der Kurve immer noch überall gibt, oder die mit dem am vergangenen Wochenende gefeierten „Freedom Day“ zusammenhängenden Öffnungen könnten die Menschen dazu gebracht haben, vorsichtiger zu sein.

Eine weitere Möglichkeit: die Urlaubssaison. Viele Menschen befinden sich mitten in den Sommerferien und können sich deshalb nicht vor Ort testen lassen. Ein Anstieg der Kurve nach der Rückkehr der Urlauber:innen kann demnach nicht ausgeschlossen werden. (mit dpa)

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