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Und jetzt Justitia: Was droht Silvio Berlusconi vor Gericht?

Dass der italienische Ministerpräsident sich überhaupt vor Gericht verantworten muss, verdankt er Frauen. Nun muss er sich am 6. April gleich mit drei Richterinnen auseinander setzen.

Silvio Berlusconi bekommt es jetzt erst recht mit den Frauen zu tun. Am Sonntag haben in ganz Italien einige Hunderttausend gegen ihn demonstriert, nun wird er sich vom 6. April an mit drei Richterinnen auseinandersetzen müssen: Carmen D’Elia, Orsola De Cristofaro und Giulia Turri. Dass der italienische Ministerpräsident sich überhaupt vor Gericht verantworten muss, verdankt er auch Frauen. Zu allererst natürlich Ruby, die den ganzen Fall ins Rollen gebracht hat. Eine minderjährige Prostituierte, mit der sich Berlusconi im vergangenen Jahr eingelassen haben soll. Sie wurde im Mai 2010 wegen Diebstahls inhaftiert, aber nach einem nächtlichen Anruf Berlusconis beim Mailänder Polizeipräsidenten wieder freigelassen. Zwei andere Frauen sorgen nun dafür, dass er sich vor Gericht verantworten muss: die Mailänder Staatsanwältin Ilda Boccassini und die Ermittlungsrichterin Cristina Di Censo.

Wer sind die beiden?

Nicht die politische Opposition zählt in Italien zu Berlusconis wichtigsten Herausforderern, sondern die Justiz. Allen voran die 61-jährige Boccassini. Für sie ist Berlusconi so etwas wie ein langjähriger Feind. Die gebürtige Neapolitanerin ermittelt gegen den Medienmogul schon fast so lange, wie dessen politische Karriere andauert – seit mehr als 15 Jahren. Mehrfach gelang es ihr bereits, Berlusconi wegen Bestechung und Korruption vor Gericht zu bringen. „Das ist eine Person, die das italienische Volk belügt“, urteilte die Ermittlerin schon in einem der ersten Verfahren. Auch wenn eine rechtskräftige Verurteilung bisher ausblieb: Für Berlusconi mit seiner notorischen Abneigung gegen die „linken Richterroben“ ist Boccassini schon seit langem ein rotes Tuch.

Die rote Ilda nennen er und seine Gefolgsleute die Staatsanwältin, und dabei geht es ihnen nicht etwa um das feuerrote Haar der Juristin. Obwohl Boccassini weder Kommunistin noch überhaupt jemals politisch aktiv war, unterstellen ihr der Regierungschef und die Seinen „subversive Absichten“. Eine von Berlusconis Zeitungen veröffentlichte kürzlich einen Bericht über eine Liebesaffäre der Staatsanwältin mit einem linksradikalen Journalisten aus dem Jahre 1982. Der Zeitung ging es darum, die „linke Gesinnung“ der Staatsanwältin zu „beweisen“. Tatsächlich kämpfte Boccassini lange gegen die Mafia. Nachdem der sizilianische Richter Giovanni Falcone 1992 von der sizilianischen „Cosa Nostra“ ermordet wurde, ließ sie sich nach Sizilien versetzen, um den Kampf Falcones weiterzuführen. Nach zwei Jahren kehrte sie nach Mailand zurück.

Dass es jetzt wieder zu einer Anklage gegen Berlusconi kommt, liegt auch an Cristina Di Censo. Die Ermittlungsrichterin benötigte sechs Tage, um die Akten zu sichten. In Italien war man skeptisch, ob sie wirklich in beiden Anklagepunkten (Amtsmissbrauch und Sex mit einer Minderjährigen) dem schnellen Prozess zustimmen würde. Sie hat es getan.

Doch es sind nicht nur Frauen, die Berlusconi gefährlich werden. Auch Oberstaatsanwalt Edmondo Bruti Liberati. Der 66-Jährige ist eher unscheinbar. Den Attacken des Berlusconi-Lagers begegnete er kühl. Die Staatsanwaltschaft gehe ihrer täglichen Arbeit nach, „mit vollem Ernst und in Übereinstimmung mit dem Verfassungsauftrag“, sagte Liberati.

Welche politischen Folgen hat das Verfahren?

Politisch ändert sich für Berlusconi vorerst nichts. In seiner Partei, dem „Volk der Freiheit“, gibt es niemanden, der ihn absetzen wollte oder die Hausmacht dazu hätte. Auch die Opposition ist zu schwach, das hat sich beim gescheiterten Misstrauensvotum am 14. Dezember gezeigt. Und die vom „Volk der Freiheit“ abgespaltene Rebellengruppe um Parlamentspräsident Gianfranco Fini, die ein Sammelbecken für unzufriedene Berlusconi-Anhänger werden wollte, zerfällt wegen Streitigkeiten bereits wieder.

Gefahr droht dem angeklagten Regierungschef nur vom Koalitionspartner, der rechtspopulistischen „Lega Nord“. Umberto Bossi aber, deren Chef, hat Berlusconi erst jüngst wieder die Treue geschworen. Bossi steht kurz vor seinem großen politischen Ziel: einer „Föderalisierung“ des zentralistischen Italien. Diese Reform glaubt Bossi nur mit Berlusconi vollenden zu können, auch wenn der linke Oppositionsführer Pier Luigi Bersani bereits lockt: „Mit uns geht’s leichter.“

Wie wirken sich die Vorwürfe auf das Ansehen Berlusconis aus?

Unter moralischen Gesichtspunkten hält sich Berlusconi – gemessen an der Katholizität Italiens – schon erstaunlich lange. Ausgerechnet Frauen sind seit langem seine treuesten Wähler. Bischöfe und Vatikan haben ihren sehr zurückhaltenden Ton auch angesichts der öffentlichen Vorwürfe kaum verschärft. Und wenn, dann sprechen sie in allgemein gehaltenen Mahnungen über „Nüchternheit und Vorbildwirkung“. Persönlich haben sie Berlusconi noch nie angegriffen.

Im Volk ist Berlusconis Beliebtheit nach den neuesten Umfragen zwar im Lauf des vergangenen Monats von 35,0 auf 30,4 Prozent abgesunken; seine Partei, die 2008 bei den Parlamentswahlen 37,4 Prozent eingefahren hatte, kommt bei der „Sonntagsfrage“ derzeit nur noch auf 27,2 Prozent. Aber solange niemand den Regierungschef stürzt, spielen diese Verluste keine Rolle: Die nächste reguläre Wahl findet schließlich erst im Jahr 2013 statt. (mit dpa)

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