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Hintergrund: Wehrpflicht im europäischen Ausland

Die in Deutschland heftig diskutierte Wehrpflicht ist in vielen anderen EU-Staaten bereits abgeschafft oder zumindest ausgesetzt.

Trotz oft gestiegener Kosten und Problemen bei der Rekrutierung neuer Soldaten hat es bislang nur vereinzelt Forderungen nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht gegeben:

In GROSSBRITANNIEN ist die Wehrpflichtarmee bereits seit Beginn der 60er Jahre durch eine Berufsarmee ersetzt, der heute rund 196.000 Soldaten und Soldatinnen angehören. Die Rekrutierung der Freiwilligen ist teuer: 2006 wurden dafür umgerechnet 131 Millionen Euro ausgegeben, bei einem Gesamtbudget von rund 33 Milliarden Pfund (48 Mrd. Euro). Derzeit fehlen fast 6000 Soldaten. Dass sich viele Briten gegen eine Karriere beim Militär entscheiden, liegt nach einem Parlamentsbericht hauptsächlich am Arbeitspensum, an vielen Einsätzen in Krisengebieten, der Trennung von der Familie und schlechter Bezahlung. Die Rückkehr zur Wehrpflicht steht aber nicht zur Debatte.

FRANKREICH hat Ende 2001 die Wehrpflicht abgeschafft. Mit 350.000 Soldaten hat die französische Armee rund 30 Prozent weniger Personal als zuvor. Jährlich werden rund 30.000 Soldaten im Alter zwischen 17 und 24 Jahren rekrutiert. Mit einem Budget von rund 47,6 Milliarden Euro ist die französische Armee eine der teuersten in Europa. Im diesjährigen Wahlkampf verlangten die Sozialisten wegen der knappen Rekrutenzahlen die Rückkehr zum Wehrdienst.

In SPANIEN sind die Streitkräfte seit 2001 eine reine Berufsarmee. Bei der Abschaffung der Wehrpflicht spielte eine wichtige Rolle, dass die "mili" (Wehrdienst) bei jungen Männern ausgesprochen unbeliebt war. Spanien hatte weltweit eine der höchsten Verweigerer-Raten. Heute gibt es zu wenig Soldaten. Dies wird zum einen auf den geringen Sold und zum anderen auf die geringe Identifikation junger Spanier mit der Armee zurückgeführt. Wegen des Mangels senkte die Regierung die Sollstärke von 120.000 auf 86.000 Soldaten. Zudem warb man Tausende Soldaten aus spanischsprachigen Ländern Lateinamerikas an, die nach Ablauf ihrer Dienstzeit spanische Pässe erhalten können.

BELGIEN hat den Wehrdienst 1994 abgeschafft, nachdem sich in Folge des Falls der Berliner Mauer die Bedrohungslage völlig geändert hatte. Die heutigen Berufssoldaten könnten besser mit kompliziertem technischem Gerät umgehen, argumentieren Militärs. Die "Staatsbürger in Uniform" als Bindeglied zwischen Armee und Gesellschaft sei allerdings verschwunden. Der Jugend fehle die militärische Zucht, die Politiker hätten das Interesse an der Armee verloren. Zudem sei eine Berufsarmee viel teurer. Belgien hatte im vergangenen Jahr 38.626 Soldaten, davon 3165 Frauen.

In ITALIEN ist die Wehrpflicht nur ausgesetzt. Die Regierung in Rom einigte sich 1999 auf die Suspendierung und die Einführung einer Berufs- und Freiwilligenarmee bis 2005. Dabei wurde schrittweise die Zahl der Berufssoldaten erhöht, die Zahl der Wehrpflichtigen verringert. Auch Frauen wurden zum Militärdienst zugelassen. Im Kriegs- oder Krisenfall kann die Wehrpflicht "sofort" wieder eingeführt werden. Trotz Kritik an den hohen Kosten für eine Berufsarmee soll es beim Verzicht auf die Wehrpflicht bleiben.

In den NIEDERLANDEN wurde die Wehrpflicht 1996 ebenfalls nur ausgesetzt. Seitdem werden nur noch Freiwillige - Männer und Frauen - eingezogen, aber alle Männer zwischen 17 und 45 Jahren weiterhin erfasst. Theoretisch könnte die Dienstpflicht ohne große Umstände wieder eingeführt werden. Die Armee ist stets auf der Suche nach Personal - das hängt stark von der Situation auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab. Nach Einschätzung der Soldatengewerkschaft Acom ist die Sorge, dass sich die Armee von der Gesellschaft entfernt, bislang unbegründet.

In DÄNEMARK einigten sich Mitte-Rechts-Regierung und oppositionellen Sozialdemokraten 2004 auf eine bedingte Abschaffung der Wehrpflicht: Sie greift nur noch, wenn das Militär seinen Personalbedarf nicht mit Freiwilligen decken kann. Ihre Dauer wurde gleichzeitig auf vier Monate verkürzt. Allerdings hat das Militär seither noch nie seinen Personalbedarf mit Freiwilligen erfüllen können. Nach amtlichen Angaben waren stets 30 bis 50 Prozent aller neu rekrutierten Soldaten Wehrpflichtige. Pro Jahr hat das 23.000 Soldaten starke Militär einen Bedarf an 6.500 Neuzugängen aus jedem Jahrgang. (mit dpa)

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