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Russlands Staatschef Putin (rechts) und AU-Präsident Sall am vergangenen Freitag in Sotschi.

© via REUTERS

„Desinformation und Erpressung“: Putin schiebt Westen Schuld für Getreideknappheit zu

Der russische Präsident versucht, die EU für den Versorgungsengpass beim Getreide verantwortlich zu machen. In Afrika verfängt dieses Narrativ.

Nach mehr als 100 Tagen Krieg in der Ukraine rückt der weltweite Versorgungsengpass beim Getreide immer stärker ins Blickfeld. Auffällig ist dabei, dass der Präsident der Afrikanischen Union (AU), der senegalesische Staatschef Macky Sall, eine klare Positionierung gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine vermeidet. Im Gegenteil: Nach einer Begegnung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi vom vergangenen Freitag warf Sall der EU vor, mit ihren Sanktionen die Exporte von russischem Getreide und Düngemitteln zu erschweren.

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Dabei stehen weder Getreide noch Düngemittel aus Russland auf der Sanktionsliste der EU. Das hielt Sall aber nicht davon ab, westliche Staaten dazu aufzufordern, den Export der fraglichen Güter aus Russland zu erleichtern. Die Forderung des AU-Präsidenten hat einen einfachen Grund: Mehr als 40 Prozent des Weizens, der in afrikanischen Staaten konsumiert wird, stammt entweder aus der Ukraine, die derzeit vom Export über den Schwarzmeerhafen Odessa abgeschnitten ist – oder eben aus Russland.

Seit dem Beginn des Krieges sind die Weizenpreise auf dem afrikanischen Kontinent nach Angaben der Afrikanischen Entwicklungsbank um rund 45 Prozent gestiegen. Besonders hart betroffen sind Länder am Horn von Afrika wie Äthiopien, Kenia, Südsudan und Somalia, die schon vor dem Krieg unter Dürre zu leiden hatten.

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Bereits während des EU-Sondergipfels in der vergangenen Woche hatte der Präsident der Afrikanischen Union beklagt, dass die Abtrennung einzelner russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift auch negative Auswirkungen auf Lieferungen für den afrikanischen Kontinent habe. „Wenn das Swift-System unterbrochen wird, dann werden Zahlungen schwierig oder sogar unmöglich, selbst wenn die Produkte vorrätig sind“, hatte Sall gesagt, der beim Gipfel virtuell zugeschaltet war. Zuvor hatten sich die 27 EU-Staaten im Grundsatz auf das sechste Sanktionspaket geeinigt, das auch den Ausschluss der größten russischen Bank, der Sberbank, aus dem Swift-Zahlungssystem vorsieht.

Abgeordneter Lagodinsky: Russland transportiert ukrainische Lebensmittel ab

Nach der Auffassung des Grünen-Europaabgeordneten Grünen-Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky sind die Sorgen der afrikanischen Länder berechtigt, allerdings würden die Ursachen der Nahrungsmittelknappheit vom AU-Präsidenten falsch benannt. „Es ist gefährlich, dass die Afrikanische Union Putin auf den Leim geht und die Mär von westlichen Sanktionen gegen russische Lebensmittelexporte wiederholt“, sagte Lagodinsky dem Tagesspiegel. Stattdessen sollten die AU-Staaten „Moskau auffordern, die Blockade der Schwarzmeerhäfen zu beenden, die für die Krise verantwortlich ist“.

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Nach den Worten von Lagodinsky sei für den gegenwärtigen Engpass bei Nahrungsmitteln zudem die Tatsache verantwortlich, „dass Putin große Mengen ukrainischer Lebensmittel nach Russland transportieren lässt, statt an die Abnehmer im globalen Süden, für die sie überlebenswichtig sind“. „Mit westlichen Sanktionen hat es nichts zu tun. Stattdessen mit Desinformation und Erpressung“, sagte er weiter.

Der Europaabgeordnete forderte gleichzeitig, dass die Europäer alles unternehmen sollten, „um Afrika zu helfen und langfristig unsere Glaubwürdigkeit in der Region wiederherzustellen“. Aber auch „in dieser existenziell bedrohlichen Lage bringt es Afrika wenig, sich von Putin instrumentalisieren zu lassen“, fügte er hinzu.  

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte unterdessen per Twitter, dass Russland für den Engpass  im internationalen Getreidehandel „direkt verantwortlich“ sei. Anstatt den Krieg gegen die Ukraine zu beenden, versuche Moskau, die Sanktionen der EU und der USA für die Notlage verantwortlich zu machen, so Borrell.

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