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Friedrich Merz redet auf dem CSU-Parteitag am 13.12.2025 in der Messe München.

© imago/Revierfoto

„Wenn die Ukraine fällt, hört er nicht auf“: Merz warnt vor Putin – und räumt Wirtschaft Priorität vor Umweltschutz ein

Auf dem CSU-Parteitag warnt Bundeskanzler Merz eindringlich vor Russland. Zudem erklärt er die „Pax Americana“ für beendet und setzt Wirtschaft vor Umwelt.

Stand:

Bundeskanzler Friedrich Merz hat auf dem CSU-Parteitag in München eindringlich vor Russlands Präsident Wladimir Putin gewarnt und eine Neuausrichtung der deutschen Politik gefordert. Die Wirtschaft müsse Vorrang vor der Umweltpolitik bekommen, sagte der CDU-Chef. Zugleich warnte er vor einer dauerhaften Abkehr der USA von Europa und rief dazu auf, sich nicht in innenpolitischen Debatten zu verzetteln angesichts tektonischer Machtverschiebungen in der Welt.

Putin-Warnung und Ukraine-Konflikt

„Putin hört nicht auf“, sagte Merz am Samstag in München. „Und wenn die Ukraine fällt, dann hört er nicht auf.“ Es gehe Putin „um die grundlegende Veränderung der Grenzen in Europa“ und um eine Wiederherstellung der Sowjetunion in ihren früheren Grenzen, sagte der Kanzler.

Dies gehe einher „mit einer massiven Gefährdung, auch militärischen Gefährdung der Länder, die früher einmal zu diesem Imperium dazugehört haben“, sagte Merz. Die Ex-Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen sind ebenso Mitglieder von Nato und EU wie weitere Staaten des sowjetisch dominierten Warschauer Pakts, der sich 1991 aufgelöst hatte.

Priorität in der Außen- und Sicherheitspolitik hätten deswegen weitere Hilfen für die Ukraine sowie die Einheit Europas in strategischer Zusammenarbeit mit dem früheren EU-Mitglied Großbritannien, sagte der Bundeskanzler. Außerdem gehe es darum, die von US-Präsident Donald Trump zunehmend infrage gestellte Nato „so lange wie möglich zu erhalten“. Zu den Ukraine-Beratungen an diesem Wochenende in Berlin äußerte Merz sich in seiner Rede nicht.

In der Politik gegenüber Russland sei der überstürzte Eintritt mehrerer Staaten in den Ersten Weltkrieg 1914 die falsche historische Analogie, sagte der Kanzler. Er bezog sich auf das Buch „Die Schlafwandler“ des australischen Historikers Christopher Clark. „Es wäre wohl richtiger gewesen, 1938 als die historische Analogie heranzuziehen.“ Damals hatte sich Adolf Hitler durch die Appeasement-Politik europäischer Mächte in seinem imperialen Expansionsstreben bestärkt gesehen und daraufhin 1939 den Zweiten Weltkrieg begonnen.

Warnung vor dauerhafter US-Abkehr von Europa

Der Kanzler warnte zudem vor einer dauerhaften Abkehr der USA von ihren bisherigen europäischen Verbündeten. Die Europäer müssten sich auf eine „fundamentale Veränderung des transatlantischen Verhältnisses“ einstellen, sagte Merz. „Die Jahrzehnte der Pax Americana sind für uns in Europa und auch für uns in Deutschland weitestgehend vorbei.“

Unter „Pax Americana“ (lateinisch für „Amerikanischer Frieden“) wird die nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte transatlantische Friedensordnung verstanden, in der sich die USA für die Sicherheit der europäischen Verbündeten verantwortlich fühlten – etwa als stärkste Macht im Militärbündnis Nato.

Diese Pax Americana gebe es „nicht mehr so, wie wir sie kennengelernt haben“, sagte Merz. Eines seiner Ziele in diesem schwierigen außenpolitischen Umfeld sei nun „die Aufrechterhaltung des Nato-Bündnisses, so lange es eben geht“.

Der Kanzler warnte davor, sich auf eine abermalige Kursänderung der US-Außenpolitik nach der Amtszeit des aktuellen Präsidenten Donald Trump zu verlassen. „Es glaube niemand, dass das nur eine kurzfristige Erscheinung ist“, sagte Merz. „Trump ist nicht über Nacht gekommen, und diese Politik der Amerikaner wird über den Tag nicht einfach wieder gehen.“ Es könne sogar sein, „dass mit dem Nachfolger oder der Nachfolgerin es noch schwieriger wird“.

Diese Situation müsse die Europäer veranlassen, sich auf ihre eigene Stärke zu besinnen und ihre Verteidigungsfähigkeit so auszubauen, dass sie gegenüber einem aggressiv auftretenden Russland abschreckend wirkt. „Die Amerikaner nehmen jetzt sehr, sehr hart ihre eigenen Interessen wahr, und das kann doch keine andere Antwort bedeuten als die, dass wir jetzt auch unsere Interessen wahrnehmen“, sagte Merz.

Tektonische Machtverschiebungen wichtiger als Rentenstreit

Angesichts der Machtverschiebung im internationalen Gefüge warnte Merz davor, sich in innenpolitischen Debatten zu verzetteln. „Wir werden eines Tages nicht danach gefragt, ob wir – und ich sage das hier ganz offen und ehrlich, liebe Freundinnen und Freunde – ob wir die Haltelinie in der deutschen Rentenversicherung für ein Jahr weniger oder ein Jahr länger gehalten haben“, sagte der CDU-Chef.

Rückblickend werde man die „heute in Verantwortung stehenden Politiker fragen, ob wir unseren Beitrag geleistet haben, und zwar den maximalen Beitrag, den wir leisten konnten, zum Erhalt von Freiheit und Frieden, einer offenen Gesellschaft, einer marktwirtschaftlichen Ordnung mitten in Europa“.

Angesichts der Entwicklungen in den USA, China und Russland sieht Merz eine „geradezu tektonische Verschiebung der politischen und ökonomischen Machtzentren auf der Welt“. Deutsche und Europäer seien „mittendrin in diesem Prozess“ und müssten wie die USA ihre Interessen wahrnehmen. Die Dimension werde vermutlich erst rückblickend in einigen Jahren zu verstehen sein.

Wirtschaft vor Umwelt – Streit im Koalitionsausschuss

Merz will der Wiederbelebung der Konjunktur in Deutschland klare Priorität vor der Umweltpolitik einräumen. Er sei „nicht bereit, Umwelt- und Klimaschutz so hoch aufzuhängen, dass damit ein großer Teil unseres industriellen Kerns in der Bundesrepublik Deutschland verloren geht“, sagte Merz.

Zu lange habe die Umweltpolitik die Konjunktur gebremst – was letztlich auch demokratieschädigend sei, warnte Merz: „Wer die Demokratie in Deutschland beschädigen, wenn nicht gar zerstören will, muss das genau so weitermachen.“

Deutschland werde das globale Problem des Klimawandels nicht alleine lösen können – „und Deutschland wird überhaupt keinen Beitrag dazu leisten können, wenn wir es auf Kosten unserer Industrie machen“, sagte der Kanzler. Prinzipiell halte seine Regierung aber an den Klimazielen fest.

Merz berichtete in seiner Parteitagsrede auch aus den eigentlich vertraulichen Beratungen des Koalitionsausschusses mit den Spitzen von Union und SPD am Mittwochabend. In der Runde war ein Beschluss zur weitreichenden Lockerung von Umweltvorgaben für die Beschleunigung von Infrastrukturprojekten gefasst worden.

Diese Gespräche seien aber „nicht ganz einfach“ gewesen, weil die SPD dies zunächst blockieren wollte, berichtete Merz. Die Sozialdemokraten hätten die Lockerung von Umweltvorgaben nur für jene Projekte zulassen wollen, die aus dem 500 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögen für Infrastruktur finanziert werden.

Dann wären aber alle Straßenbauprojekte aus der Beschleunigungsregelung rausgefallen, sagte Merz. „Ich habe in dieser Nacht den Sozialdemokraten gesagt: Glaubt ihr ernsthaft, wir können vor die deutsche Bevölkerung treten und sagen, wir geben jetzt 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur aus – und machen im Bereich des Straßenbaus genauso weiter wie in den letzten Jahrzehnten?“ Es wäre für ihn „unvorstellbar“ gewesen, es so zu machen. Letztlich habe die SPD dann zugestimmt.

Wettbewerbsfähigkeit als oberste Priorität

Priorität habe für ihn das Ziel, die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen. „Das steht über allem, jenseits der Außen- und Sicherheitspolitik“, sagte Merz. Ohne eine laufende Wirtschaft seien alle anderen Themen nicht lösbar. Um das zu erreichen, müssten die Steuern weiter runter, zudem seien die Energiepreise ebenso wie die Bürokratie- und die Arbeitskosten zu hoch.

Mit Blick auf die Arbeitskosten sagte Merz, hier müssten Arbeitgeber und Gewerkschaften zu Lösungen kommen. Der CDU-Chef forderte aber auch den Koalitionspartner SPD auf, sich zu bewegen. Er sei sicher, dass die Wähler anerkennen würden, „wenn die Sozialdemokraten in Deutschland auch und vor allem wieder Arbeitnehmerinteressen in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen würden.“

Modernisierung Deutschlands und Festhalten an der Koalition

Merz stellte klar, dass er Deutschland von Grund auf modernisieren will – und dies auch trotz des holprigen Starts der Bundesregierung weiter zusammen mit der SPD. Es gebe keine Alternative zu dieser Koalition, sagte Merz.

Der CDU-Chef sagte, in den vergangenen Jahren sei „verdammt viel liegen geblieben“ an Aufgaben. Das „Haus Bundesrepublik Deutschland“ müsse nicht neu erbaut werden. „Es muss von Grund auf modernisiert und saniert werden.“ Von den dazu nötigen Reformen müssten die Menschen aber überzeugt werden.

Merz verteidigte zudem die Notwendigkeit auch unbeliebter Reformen und bat um Geduld. Letztlich gebe es derzeit keine bessere Regierung als die von Union und SPD. „Ich bin fest davon überzeugt: Wir werden es auch mit diesen Sozialdemokraten hier – wir mit denen und die mit uns – hinbekommen.“ Man habe die feste Absicht, zu zeigen, dass man in der politischen Mitte des Landes Probleme lösen könne.

Doch diese Aufgabe sei auch nicht in wenigen Tagen oder Wochen zu lösen, so Merz. Und: Man müsse die Menschen auf diesem Weg mitnehmen. Am Ende der Legislaturperiode werde es so große Fortschritte gegeben haben wie noch nie in Deutschland, sagte Merz. Er habe den Anspruch, dass Deutschland „eines der modernsten Länder der Welt“ werde.

Reformen in der Sozialversicherung und beim Wehrdienst

Auch „in allen Zweigen der Sozialversicherung“ stehe Deutschland vor großen Herausforderungen, sagte Merz. Bei der Rente müsse es mit der ihre Arbeit aufnehmenden neuen Rentenkommission Reformen geben. Der Lösung der Probleme könne nicht länger aus dem Weg gegangen werden.

Beim Thema Wehrdienst stellte sich Merz hinter den Beschluss des Bundestags einer vorerst freiwilligen Lösung. Sollte dies nicht ausreichen, müssten aber noch in dieser Wahlperiode „verpflichtende Elemente eines Wehrdiensts“ für junge Männer geschaffen werden.

Kampf gegen die AfD

Der Schutz von Freiheit und Demokratie gegen die AfD sei eine Herausforderung von historischer Bedeutung, sagte Merz. „Ich bin nicht bereit, uns diesen Auftrag streitig machen zu lassen von Leuten, die sich ganz links oder mehr noch ganz rechts jetzt sogenannte Alternative für Deutschland nennen. Das lassen wir nicht zu“, sagte Merz.

„Und da werden die uns kennenlernen, wie wir bereit sind zu kämpfen für das, was wir in unserem Land erreicht haben und für das Erbe, das wir heute in unserer Hand halten.“ Die Demokratie stehe auf dem Spiel, „dafür müssen wir kämpfen“, so der CDU-Chef.

Lob für CSU-Minister

Merz lobte in seiner, wie CSU-Chef Markus Söder sie nannte „ernsten Rede in ernsten Zeiten“, insbesondere die Arbeit der CSU-Minister in der Bundesregierung. So habe etwa Bundesinnenminister Alexander Dobrindt wie im Wahlkampf versprochen vom ersten Tag an die Asylwende eingeleitet und die Zuwanderungszahlen massiv reduziert.

An Söder gerichtet betonte Merz, „bei allem, was uns im Alltag beschwert und bei allem, was uns im Detail manchmal auch Probleme macht, dieses große Ziel, diese überragende Verantwortung, die wir gemeinsam tragen, die haben wir jetzt in der Hand.“ (Tsp/dpa/AFP/Reuters)

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