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„Widert mich teilweise an“: Günther empfindet Politikbetrieb in Berlin als abschreckend
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident kritisiert despektierlichen Umgang und Indiskretionen in der Bundespolitik. Der CDU-Politiker sieht Radikale als Nutznießer der Verrohung.
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Offene Worte eines Berufspolitikers aus dem Norden der Republik: Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther hat in einem Interview deutlich gemacht, dass ihn der Berliner Politikbetrieb abschreckt. Die Art und Weise, wie hier mit Indiskretionen gearbeitet werde, wie nur darauf geschaut werde, wie man den anderen möglichst in ein schlechtes Licht setze, „das widert mich teilweise wirklich an“, sagte der CDU-Politiker im Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ der Funke Mediengruppe.
Für ihn sei es immer ein sehr gutes Gefühl, wieder nach Kiel zurückzukommen, weil dort auf eine Weise Politik gemacht werde, wie er es sich auch für Berlin wünsche. Als Beispiel nannte der 51-Jährige die Koalitionsverhandlungen von Union, FDP und Grünen nach der Bundestagswahl von 2017.
Deswegen ist es für mich wirklich ein Grauen teilweise zu erleben, wie in Berlin Politik gemacht wird.
Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein (CDU)
Mit Schaudern erinnere er sich daran, „wie da wirklich in kleinsten Runden sofort alles rausgetragen worden ist und man überhaupt nicht sich gegenseitig mal Haltelinien signalisieren konnte“, sagte
In allen anderen gesellschaftlichen Bereichen, so Günther, würde jeder sagen, „mit solchen Menschen würde ich niemals zusammenarbeiten, die sich so despektierlich verhalten“. In Berlin sei das aber gang und gäbe, dass man so schäbig miteinander umgehe. „Und deswegen ist es für mich wirklich ein Grauen teilweise zu erleben, wie in Berlin Politik gemacht wird“.
Günther warnte gleichzeitig davor, die Folgen dieser Verrohung zu unterschätzen: „Ich glaube, wenn wir den Schuss nicht hören als demokratische Parteien, dass wir einen anderen Umgang auch in Berlin pflegen müssen, um nicht Radikale stärker werden zu lassen, dann müssen wir uns auch nicht wundern, wenn uns das Wasser immer weiter abgegraben wird.“
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Günther sieht fehlendes Selbstvertrauen bei Söder
Der Ministerpräsident aus dem Norden liefert sich seit einiger Zeit selbst einen teilweise mit scharfen Worten ausgetragenen Schlagabtausch mit seinem bayerischen Kollegen. Nachdem Günther im unionsinternen Streit über den Umgang mit den Grünen von Markus Söder mehr Zurückhaltung gefordert und empfohlen hatte, „einfach den Mund zu halten“, folgte eine harsche Antwort des CSU-Politikers.
Söder bezeichnete Günthers Aussagen als „nicht relevant“. Schleswig-Holstein sei „ein kleines und schönes Land mit schöner Landschaft, wirtschaftlich enormen Problemen, finanziell hoch verschuldet“, so der CSU-Chef. „Dort muss man sogar Notlagen aufrufen“, sagte Söder mit Blick auf das nördlichste Bundesland, „und trotzdem will man den Länderfinanzausgleich aus Bayern. Ich würde mal sagen: um die eigenen Probleme kümmern und dann mit einer ordentlichen Bilanz bundesweit auftreten.“
In dem Podcast kritisierte Günther nun wiederum Söder deutlich. „Ich glaube, eine selbstbewusste Partei, und das sollten CDU und CSU auch gemeinsam sein, wirbt für eigene Stärke und macht sich nicht so klein und redet über andere, um selbst irgendwie Aufmerksamkeit zu bekommen“, sagte er. „Da würde ich mir von Markus Söder im Moment auch wirklich mehr Selbstbewusstsein wünschen.“
Auf Nachfrage, ob er glaube, Söder mangele es an Selbstbewusstsein, antwortete Günther: „Na ja, in der Frage ja eindeutig, weil sonst würde man ja mit eigener Stärke da reingehen und nicht immer nur über andere reden und glauben, dass man sich nur dadurch stark machen kann, dass man andere schlecht redet.“
Gerade im Bundestagswahlkampf, so Günther, sei es entscheidend, auf die eigenen politischen Konzepte zu vertrauen. (lem)
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