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Markus Söder, CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, vor Beginn des Parteitags am Freitagnachmittag.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Die CSU in der schwarz-roten Koalition: Markus Söders doppeltes Spiel ist riskant

Die CSU, die gerade ihren Parteitag abhält, pocht seit jeher auf ihre Eigenständigkeit in der Union. Daraus ist aktuell eine One-Man-Show ihres Vorsitzenden geworden, die für die Christsozialen gefährlich werden kann.

Christopher Ziedler
Ein Kommentar von Christopher Ziedler

Stand:

Wer die Ampelkoalition als erstes Dreierbündnis auf Bundesebene in Erinnerung hat, dem sei ein Gespräch mit CDU-Politikern nahegelegt, die im Frühjahr die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen geführt haben. Sie können berichten, wie sich damals bei vielen Themen nicht Union und SPD gegenüberstanden, sondern die CSU gemeinsam mit den Sozialdemokraten gegen die große christdemokratische Schwester Position bezog.

Nichts gegen Parteien mit einem S für das Soziale im Namen. Leidtragender dieser weniger offensichtlichen Dreierkonstellation aber ist der Bundeskanzler. Mit einer auf ihrer vollen Unabhängigkeit bestehenden CSU kann Friedrich Merz nur ein viel weniger mutiger Reformer sein als im Wahlkampf angekündigt.

„Klientelismus“ klingt sehr hart, wo doch relevante Gruppen von niedrigerer Gastro-Steuer, höherer Pendlerpauschale oder Agrardiesel-Subventionierung profitieren.

Ganz sicher aber sind diese aus München vorangetriebenen Projekte keine großen Strukturreformen. Sinnbildlich dafür steht die Koalitionsentscheidung von Anfang Juli, als das CDU-Versprechen einer Stromsteuersenkung für alle dem CSU-Wahlkampfhit Mütterrente weichen musste.

Ein Söder-Manöver mit fatalen Folgen

Die Entscheidung, von CSU-Chef Markus Söder hart gespielt, setzte eine Kaskade von Enttäuschungen in Gang, von denen sich Merz bis heute nicht erholt hat – mit dem Rentendrama als vorläufigem Höhepunkt.

Wenn Bayerns Ministerpräsident nun also behauptet, er sei „im Moment wahrscheinlich der freundlichste CSU-Vorsitzende seit Jahrzehnten“, ist das bestenfalls die halbe Wahrheit. Mitte November genoss Söder es sichtlich, nach einem desaströsen Kanzlerauftritt beim Deutschlandtag der Jungen Union vom Vortag selbst zu glänzen.

Der 58-Jährige besitzt auch die seltene Gabe, komplizierte Themen auf eingängige Formeln zu bringen. Charmant noch dazu. Und bei aller Kritik an seiner Fleisch-Besessenheit muss man ihm zugutehalten, in den etablierten Parteien einer derjenigen zu sein, der die sozialen Medien am besten verstanden hat.

Söder bestreitet es öffentlich vehement. Die, die ihn zu kennen behaupten, berichten jedoch davon, dass er seinen Traum von der Kanzlerschaft nie wirklich aufgegeben hat und weiter auf der Lauer liegt, falls Merz scheitern sollte. Das wird den dann wiedergewählten CSU-Chef aber nicht hindern, dem CDU-Vorsitzenden an diesem Sonnabend auf dem Parteitag der Christsozialen einen pompösen Empfang zu bereiten. Ganz nach dem Motto: Schaut mal, wer unter meiner Aufsicht jetzt Bundeskanzler ist.

Nur Opposition in der Regierung kann Söder aber nicht betreiben. Er muss seine CSU-Minister im Kabinett Merz allein deshalb zur konstruktiven Mitarbeit anweisen, weil Regierungsfrust die AfD auch in Bayern stärkt, wo Anfang März Kommunalwahlen anstehen. Der Verweis auf „die in Berlin“ funktioniert halt nicht so gut, wenn man nach Koalitionsgipfeln in der Bundeshauptstadt selbst am längsten spricht.

Nach der Kommunalwahl könnte Ungemach drohen

Also redet er meist gut über die Regierung, bleibt aber mit Lästereien über „Leichtsinnsfehler“ oder die „Zitterpartie“ vor der Rentenabstimmung zugleich auf Distanz. Das sollte er sich in Zukunft besser sparen: Die Menschen merken, wenn jemand auf zwei Hochzeiten tanzen will.

Unumstritten sind Söder und sein Politikstil auch in Bayern schon lang nicht mehr. Dafür sind die Ergebnisse, die er seiner CSU bisher geliefert hat, zu schlecht. Die 37 Prozent bei der Landtagswahl 2023 sehen im bundesweiten Unionsvergleich gut aus. Gemessen an den glorreichen christsozialen Zeiten und dem eigenen Anspruch, Bayern als Ganzes zu verkörpern, sind es erbärmlich wenig. Sollten bei der Kommunalwahl im März 2026 die 34,5 Prozent aus dem Jahr 2020 unterschritten werden, droht Ungemach.

Ein Vergleich mit der FDP muss der CSU besonders wehtun: So wie die Liberalen zu sehr auf ihren ehemaligen Vorsitzenden Christian Lindner ausgerichtet waren, ist auch Söders One-Man-Show gefährlich für die Partei. Seine Persönlichkeitsstruktur verhindert möglicherweise, dass eine neue Führungsreserve den nötigen Raum bekommt – so wie der frühere Vorsitzende Horst Seehofer ihn gewähren ließ.

Die Ausnahme, die die Regel bestätigt, ist der freilich fast gleichaltrige Alexander Dobrindt. In einer Regierung voller Regierungsneulinge hat sich der Mann mit der meisten Regierungserfahrung schon nach wenigen Monaten unentbehrlich gemacht – als harter Innenminister, Vermittler zwischen Merz und Söder sowie als Regierungsmanager im Hintergrund.

Es gibt nur sehr wenige Anzeichen dafür, dass der ehemalige CSU-Generalsekretär Ambitionen für eine Rückkehr nach München hegen würde.

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