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Julian Assange nach seiner Verhaftung in London im April 2019.

© Hannah McKay/Reuters

Wikileaks-Gründer: Ist Julian Assange für die Welt bereits gestorben?

Julian Assange ist in Not. Es gibt Hinweise, dass sein Leben in Gefahr ist. Unterstützer gehen für ihn auf Straße. Doch die Politik schweigt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Julian Assange ist das Gesicht der Enthüllungsplattform Wikileaks. Und so ganz allmählich verblasst es. Buchstäblich. Bedrohlich. Er sitzt, nach sechseinhalb Jahren in der ecuadorianischen Botschaft, jetzt in London im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Einzelhaft. Es gibt ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass sein Leben in Gefahr ist. Durch die Haftbedingungen, durch Anzeichen „psychologischer Folter“ – UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer, 100 Ärzte, Hunderte Journalisten weltweit, alle sind in Sorge, alle warnen sie. Und erwarten, dass die Regierungen etwas tun.

Die in Australien – Assange ist Australier –, aber auch die in Deutschland. „Ich finde, in Europa muss gelten: Wer gefoltert wurde, braucht Hilfe und muss sich auf Rechtsstaatlichkeit verlassen können. Beides ist bei Julian Assange nicht gewährleistet“, twittert der frühere Außenminister Sigmar Gabriel. Er twittert in die öffentliche Sprachlosigkeit der Offiziellen hinein. Wer sich engagiert, sind die Privaten. Am Mittwoch gab es bundesweit Solidaritätsaktionen. Auch vor dem Brandenburger Tor. Das darf aber nicht alles sein.

Die zu erwartende Strafe wegen Geheimnisverrats wäre hoch

Assange ist zweifelsohne ein streitbarer und umstrittener Mensch. Noch immer hängt ihm eine Anklage aus Schweden wegen sexueller Vergehen nach; die Ermittlungen wurden eingestellt. Noch immer wird ihm vorgehalten, dass die Plattform – geradezu im russischen Interesse – in den US-Wahlkampf hinein kompromittierende Dokumente der demokratischen Bewerberin Hillary Clinton geleakt und damit Donald Trump zum Sieg verholfen habe. Inzwischen verlangt die Regierung Trump seine Auslieferung. Die zu erwartende Strafe wegen Geheimnisverrats wäre hoch.

Wikileaks hat den Anspruch, denen zur Seite zu stehen, „die unethisches Verhalten in ihren eigenen Regierungen und Unternehmen enthüllen wollen“. Es war der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung Frank La Rue, der vor Jahren Wikileaks gegen Vorwürfe, das sei kriminell, verteidigte. Er meinte im Blick auf die Kriege im Irak und Afghanistan, die Veröffentlichungen hätten die nationale Sicherheit der USA nicht gefährdet. Wikileaks als Medium sei ein Ausdruck der freien Meinungsäußerung. Man kann der Meinung sein, dass es das zu erhalten gilt. Und dass vor allem Julian Assange dringend geholfen werden muss, physisch, psychisch. Oder ist er für die Welt bereits gestorben?

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