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Die Vorräte gehen langsam aus. Hilfsorganisationen geben nur noch halbe Rationen an die Familien aus.

© imago/ZUMA Press

UN-Helfer in Syrien: "Wir brauchen ungehinderten Zugang nach Aleppo"

Jakob Kern, Landesdirektor des UN-Welternährungsprogramm für Syrien, spricht über die dringend benötigte Hilfe für Aleppo.

In Aleppo mangelt es dramatisch an Trinkwasser, Lebensmitteln und medizinischer Hilfe. Hunderttausende leiden große Not. Wie beurteilen Sie die Situation, Herr Kern?

Die Lage im Osten der Stadt ist dramatisch und bereitet uns große Sorge, der Stadtteil ist seit Wochen nicht erreichbar. Partnerorganisationen konnten zuletzt vor einem Monat Nahrungsmittel von der Türkei aus zu den Menschen bringen, die letzte Lieferung des Welternährungsprogramms war Ende Juni und sollte für anderthalb Monate reichen. Unsere Partner geben nur noch halbe Rationen an die Familien aus, aber das Essen wird vermutlich nur noch bis Ende August reichen.

Wie kann den Menschen am besten geholfen werden?

Wir brauchen ungehinderten Zugang und Waffenruhen von mindestens 48 Stunden, in die alle Parteien einwilligen. Oft stehen wir allein drei Stunden an einem Checkpoint. Einer meiner Konvois dauerte 37 Stunden, obwohl wir nur zehn Kilometer von unserem Ziel entfernt waren. Wenn 48 Stunden nicht gekämpft wird, können wir und andere Organisationen Nahrungsmittel und medizinische Ausrüstung zu den Menschen bringen.

Was halten Sie von einer Luftbrücke?

Hilfe aus der Luft ist ineffizient, kompliziert und teuer. Deshalb ist dies immer die allerletzte Option. Wir setzen Luftabwürfe ein, wo es möglich ist und wo wir auf dem Landweg aus Sicherheitsgründen nicht hinkommen. Direkt über dicht besiedeltem Gebiet, wie es in Aleppo der Fall ist, sind solche Abwürfe aber nicht möglich, weil es zu gefährlich ist, Tonnen von Hilfsgütern weitgehend unkontrolliert abzuwerfen – stellen Sie sich vor, ein Fallschirm öffnet sich nicht! Auch für eine Luftbrücke brauchen wir einen Waffenstillstand. Wenn der aber eingehalten wird, können wir Hilfsgüter mit Lkw zu den eingeschlossenen Menschen bringen. Dann braucht es keine Luftbrücke.

Was ist mit anderen belagerten Orten?

Dank großzügiger Spenden vor allem auch von Deutschland ist das Welternährungsprogramm in der Lage, jeden Monat rund 4,5 Millionen Menschen in Syrien mit der vollen Ration von Nahrungsmitteln zu unterstützen. Diese Verteilungen funktionieren in weiten Teilen ohne große Probleme. Aber zu schätzungsweise 600.000 Menschen in belagerten Städten und Gebieten haben wir nur unregelmäßigen oder gar keinen Zugang. Die Städte Foah, Kafraja, Madaja und Zabadani konnten wir schon seit fast vier Monaten nicht erreichen.

Der Schweizer Jakob Kern (55) arbeitet für das Welternährungsprogramm der UN als Landesdirektor in Syrien.

© UN

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