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Politik: „Wir können uns nicht wegducken“

Verkehrsminister Stolpe über Fehler der Bundesregierung, entschlossenes Handeln – und zerstörte Hoffnungen

Herr Stolpe, die Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen haben für die SPD deprimierende Ergebnisse gebracht. Worauf führen Sie die doppelte Wahlniederlage der Sozialdemokraten zurück?

Wir haben eine ganz schwierige Stimmung im Land. Es gibt Ängste angesichts der wirtschaftlichen Lage, und es gibt auch ganz allgemein große Zukunftsängste. Ich vermute, dass dies auch etwas mit dem drohenden Irakkrieg zu tun hat. Und dann gibt es eine massive Enttäuschung über die Arbeit der Bundesregierung. Wir haben nach der Wahl sicher Fehler gemacht. Wir haben auch unterschätzt, dass die Union nach dem 22. September den Wahlkampf einfach fortgesetzt hat und ihn bis zum 2. Februar weiterführte.

Warum hat diese Taktik der Opposition so gut funktioniert?

Wir haben wohl, vermute ich, die Ungeduld der Wähler unterschätzt. Die Wähler haben von uns nach dem Wahltag sofortiges Handeln erwartet. Wir wollten aber nicht die Fehler von 1998 wiederholen und wollten nicht vorschnell reagieren. Das Ergebnis ist für uns enttäuschend und bitter. Das ist ein schwarzer Tag für die Sozialdemokratie.

Steckt die SPD nach dieser doppelten Wahlniederlage nicht in einer Zerreißprobe zwischen denen, die Reformen schnell wollen und denen, die eher auf Beharren setzen? Wird es einen Flügelkampf geben?

Nein, eine Zerreißprobe meiner Partei sehe ich eigentlich nicht. Das Ergebnis des Sonntags, die Lehren aus diesem Tag, müssen eher ein Schub in Richtung Gemeinsamkeit sein. Wir müssen zusammenrücken, um entschlossen handeln zu können. Wir müssen jetzt umsetzen, worüber wir nachgedacht und geredet haben. Und wir müssen auch all jene besonderen Maßnahmen umsetzen, die wir gerade für den Osten anschieben wollen.

Die SPD hat, so weit man das jetzt schon erkennen kann, vor allem bei der Jugend und bei gewerkschaftsgebundenen Arbeitern verloren. Was sagt Ihnen das?

Das ist ganz klar ein Zeichen der Enttäuschung über die Berliner Politik. Die vielen Debatten haben die Menschen verunsichert. Es gibt in der Jugend offenbar die große Sorge, dass sich nichts bewegt. Vielleicht haben wir sogar Hoffnungen zerstört, dass sich nach den Bundestagswahlen vom 22. September schnell Veränderungen ergeben würden. Was die genaue Wahlanalyse angeht, muss man aber seriöserweise erst einmal abwarten.

Kann der Bundeskanzler denn jetzt so einfach weiterregieren?

Gerhard Schröder wird gut daran tun, seine Ziele, wie er sie am 22. September formuliert hat, umzusetzen. Wir dürfen nicht nur von Reformen reden, wir müssen sie auch ins Werk setzen. Ich hoffe jetzt auch auf Gemeinsamkeit, auf gemeinschaftliches Handeln der politischen Kräfte. Ich denke, man wird zusammen mit dem Bundesrat vernünftige Lösungen finden können.

Gibt es eine Alternative zum Reformkurs der Regierung?

Nein, ich sehe keine. Wir können uns jetzt doch nicht abducken und warten, bis die Lage oder das Wetter besser werden. Das wäre keine verantwortliche Politik.

Das Gespräch führte Gerd Appenzeller.

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