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„Wischi-Waschi-Wehrpflicht“: Söder attackiert Pistorius’ Freiwilligen-Modell für Bundeswehr scharf
In der Union gibt es massive Widerstände gegen die Pläne des Verteidigungsministers. Der CSU-Chef legt noch mal nach. Auch der Wehrbeauftragte ist sehr skeptisch.
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Die Bundeswehr soll angesichts der neuen Bedrohungslage insbesondere durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verstärkt werden – in puncto Ausrüstung, aber vor allem personell. Auch wegen der Nato-Anforderungen muss die Truppenstärke wachsen. Die schwarz-rote Regierung streitet heftig darüber, wie dies gelingen soll.
CSU-Chef Markus Söder hat nun seine Kritik am neuen Wehrdienstgesetz aus dem Haus von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verschärft. In der „Bild am Sonntag“ verlangte er eine schnelle Rückkehr zur Wehrpflicht.
Je schneller und klarer die Wehrpflicht kommt, desto besser.
Markus Söder, CSU-Chef
„An der Wehrpflicht führt kein Weg vorbei. Halbe Sachen reichen nicht mehr. Eine Wischiwaschi-Wehrpflicht hilft niemandem“, sagte der bayerische Ministerpräsident. „Freiwilligkeit kann nur ein erster Schritt sein. In Zeiten großer Bedrohung brauchen wir mehr als eine Fragebogen-Armee.“
Der Gesetzentwurf sieht vor, jährlich tausende junge Menschen für den Dienst in der Bundeswehr zu gewinnen, die mit Fragebögen für einen möglichen Dienst kontaktiert werden sollen – zunächst auf freiwilliger Basis.
Union verschiebt Beratungen im Bundestag
Deutschlands Sicherheit sei massiv in Gefahr und jeder Tag Zögern schwäche sie weiter, warnte Söder. Deshalb müsse sich das Land wappnen und die Bundeswehr mit genügend Personal ausbauen. „Je schneller und klarer die Wehrpflicht kommt, desto besser“, warb Söder.
Die Wehrpflicht war in Deutschland im Jahr 2011 ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam. Anstelle des Zivildienstes wurde der Bundesfreiwilligendienst eingeführt. Die Wehrpflicht ist aber – nur für Männer geltend – weiter im Grundgesetz verankert und könnte mit einfacher Mehrheit wieder eingeführt werden.
Für eine allgemeine Dienstpflicht, die beispielsweise auch für Frauen gilt, müsste das Grundgesetz geändert werden.
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte klargestellt, dass das Wehrdienstgesetz von Pistorius nicht mehr wie ursprünglich geplant am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten werde, sondern erst eine Woche später.
Die Bundesregierung hatte Ende August das Gesetz beschlossen. Das Vorhaben setzt zwar zunächst auf Freiwilligkeit, bei einem Soldaten-Mangel kann aber auch eine Pflicht greifen, wie der Entwurf festlegt. Dabei sorgt vor allem der mögliche Wechsel von der Freiwilligkeit zur Pflicht für Diskussionen zwischen SPD und Union, die das Pflicht-Element gestärkt sehen will.
Wehrbeauftragter Otte zweifelt an Pistorius’ Plänen
Die Union dringt auf Nachbesserungen. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Henning Otte (CDU), sagte dem Blatt, der Ansatz der Freiwilligkeit habe bislang „nicht die erhofften und erforderlichen Personalzahlen erreicht“.
Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte Otte, er habe „erhebliche Zweifel“ am Konzept der Freiwilligkeit. Schließlich scheitere die Bundeswehr „als Freiwilligenarmee schon seit Jahren daran, die Truppenstärke anzuheben“.
Aus Ottes Sicht ist es daher notwendig, bereits jetzt die Voraussetzungen zu schaffen, bei einem neuen Wehrdienst schnell auf weitere verpflichtende Elemente umschalten zu können. „Wir müssen recht zeitnah nach der Erfassung über die Fragebögen eine Zwischenbilanz ziehen – wie viele Rückmeldungen gab es? Wie viele Freiwillige haben Interesse bekundet?“, sagte der Wehrbeauftragte.
„Den Luxus, erst einmal ein Jahr oder zwei abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln, dürfen wir uns nicht leisten.“
Aus Ottes Sicht wäre eine Wehrpflicht „wahrlich kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Teil eines größeren sicherheitspolitischen Konzepts“. Wichtig sei, dass ein neuer Wehrdienst die Truppe stärke und sie nicht belaste. „Es bedarf daher mehr als nur eines Gesetzesbeschlusses. Es erfordert Infrastruktur, Ausbildungskapazitäten und Material“, mahnte der Wehrbeauftragte.
Pistorius hatte seinen Koalitionspartner scharf für den Stopp der Beratungen kritisiert, „Das Verhalten der Unionsfraktion ist fahrlässig, weil es möglicherweise die Einführung des neuen Wehrdienstes und damit auch die Wiedereinführung der Wehrerfassung verzögert“, sagte Pistorius dem „Handelsblatt“.
Spahn sagte, die Fraktionen seien „in guten Verhandlungen zu dem Gesetz“. Die schwarz-rote Koalition strebe „einen zügigen Abschluss an, der der fortgesetzt angespannten Sicherheitslage gerecht“ werde.
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