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Politik: Zähne spalten Rürup-Kommission

Verbände und Parteien lehnen Arztbesuch ohne Kassenhilfe ab / Experte: Wir haben schon Mehr-Klassen-Medizin

Berlin. Die drastischen Sparvorschläge von Rürup-Kommissionsmitglied Bernd Raffelhüschen zur Gesundheitsreform sind innerhalb der Kommission, aber auch bei Verbänden und Parteien auf breite Ablehnung gestoßen. Kommissionschef Bert Rürup forderte den Wissenschaftler zur Zurückhaltung auf. „Das Forum ist die Kommission und nicht die Öffentlichkeit“, sagte Rürup. Es seien noch keine inhaltlichen Festlegungen getroffen worden. Raffelhüschen hatte gesagt, Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen müssten mit hohen Eigenanteilen rechnen. Die Zahnbehandlung solle zudem aus dem Leistungskatalog gestrichen werden.

Von Cordula Eubel

und Rainer Woratschka

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gudrun Schaich- Walch bezeichnete Raffelhüschens Vorpreschen als „überhaupt nicht hilfreich in der Diskussion“. Dem Tagesspiegel sagte sie, der Vorschlag sei nur eine Einzelmeinung, mit der die Menschen verunsichert würden. Sie forderte den Wissenschaftler auf, „nicht die Republik mit generellen Forderungen zu überziehen“. Bevor eine Selbstbeteiligung in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt werde, sollten erst einmal die Ergebnisse des Modellversuchs der Techniker-Krankenkasse abgewartet werden.

Der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Jürgen Weitkamp, sagte dem Tagesspiegel, natürlich dürften die Reformen nicht bewirken, „dass man künftig den sozialen Status eines Patienten an dessen Mund erkennt“. Einen Aufschrei der Empörung werde es aber von den Zahnärzten nicht geben. Die Bedingungen, unter denen man arbeiten müsse, seien „so schlimm, dass wir uns über jeden Vorstoß freuen, der das jetzige System in Frage stellt oder aufbricht“. Dieses sei „viel zu bürokratisch und ungerecht“, die Zahnbehandlung müsse aus dem „starren Korsett der Pflichtversicherung“.

Mitglieder der Reformkommission kritisierten vor allem die fehlende Zurückhaltung von Raffelhüschen. Karl Lauterbach, Berater von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, nannte den Alleingang „sehr schädlich“. Solche Einzelvorschläge beschädigten die gesamte Kommission. Eine Selbstbeteiligung für ambulante Behandlungen und Arznei von 900 Euro jährlich hält Lauterbach in dieser Höhe „für nicht realisierbar“. Er selbst forderte eine Gesundheitssteuer auf Tabak und ein Bonussystem für Kranke. Als „unsolidarisch und unnötig“ bezeichnete der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten, Ekkehard Bahlo, die Vorschläge. Es sei unglaublich, dass den Versicherten „weiter Geld aus der Tasche gezogen werden soll“.

Der Freiburger Wissenschaftler Raffelhüschen bekräftigte seine Vorschläge. Kritik an seinem Vorgehen gab es dagegen auch vom Klinikärzte-Verband Marburger Bund sowie vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK). Kommissionschef Rürup sagte zu der Debatte um eine drohende „Zwei-Klassen-Medizin“, man dürfe jetzt nicht mit solchen Schlagworten agieren. „Hat es denn jemals etwas anderes als eine ,Mehr-Klassen-Medizin’ gegeben?“ Die gesetzlichen Krankenkassen teilten mit, dass der Krankenstand in Deutschlands Betrieben 2002 auf ein Rekordtief gesunken sei.

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