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Der katalanische Separatistenchef Puigdemont gibt nach seiner Entlassung aus der JVA Neumünster eine Erklärung ab.

© imago/Chris Emil Janßen

Puigdemont auf freiem Fuß: "Zeitpunkt für einen Dialog ist gekommen"

Nach seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt Neumünster ruft der katalanische Separatistenchef Puigdemont die spanische Zentralregierung zum Einlenken auf.

Der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont ließ sich am Freitag seinen Auftritt nach der Freilassung aus der Justizvollzugsanstalt Neumünster nicht nehmen. Der Separatistenchef, der im vergangenen Oktober ein verbotenes Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens organisiert hatte, bedankte sich vor der JVA zunächst auf Deutsch und dann auf Englisch bei seinen Unterstützern. Anschließend zählte er die Länder und Regionen auf, in denen seine Sache Solidarität erfahren habe – die Liste reichte von Finnland über Deutschland bis Spanien und Katalonien. Seinen vorläufigen juristischen Etappensieg nutzte Puigdemont aber auch, um zu einer Lösung im Streit zwischen den katalanischen Separatisten und Madrid aufzurufen. „Der Zeitpunkt für einen Dialog ist gekommen“, sagte der 55-Jährige.

Der Vorwurf der Rebellion ist vom Tisch

Am Vorabend hatte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) entschieden, dass der Auslieferungshaftbefehl gegen Puigdemont unter Auflagen ausgesetzt wird. Bevor er die JVA verließ, wurde für ihn eine Kaution in Höhe von 75.000 Euro hinterlegt. Puigdemont, der Deutschland bis auf Weiteres nicht verlassen darf und sich ein Mal pro Woche bei der Polizei zu melden hat, muss lediglich noch damit rechnen, dass das OLG eine Auslieferung an Spanien gemäß dem europäischen Haftbefehl wegen des Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Gelder ermöglicht. Dieser Vorwurf wiegt nicht ganz so schwer wie die in Spanien drohende Anklage wegen Rebellion, die mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 30 Jahren geahndet werden kann. Der Rebellions-Vorwurf gegen den Ex-Regionalpräsidenten ist vom Tisch, weil ihn das Oberlandesgericht am Donnerstag verwarf.

Mit dieser Entscheidung schrieben die OLG-Richter ein neues Kapitel in der Anwendung des europäischen Haftbefehls. Zwar war es nicht die Aufgabe der Richter in Schleswig-Holstein, zu prüfen, ob die gegen Puigdemont in Spanien erhobenen Vorwürfe zutreffend sind. Dennoch blieb ihnen genug Spielraum, um die Vorgänge rund um das katalonische Unabhängigkeitsreferendum vor dem Hintergrund des Hochverrats unter die Lupe zu nehmen. Den deutschen Straftatbestand des Hochverrats, welcher dem spanischen Vorwurf der Rebellion entspricht, sahen die Richter dabei nicht erfüllt.

Das Gericht begründete dies damit, dass Puigdemont zwar die Gewalttätigkeiten zuzurechnen seien, die beim Referendum im vergangenen Oktober über Spanien hinaus Aufsehen erregt hatten. Diese Gewalttätigkeiten aber seien nach Art, Umfang und Wirkung nicht geeignet gewesen, die Zentralregierung in Madrid derart unter Druck zu setzen, dass sie sich „zur Kapitulation vor der Forderung der Gewalttäter“ gezwungen gesehen hätte.

Damit ist das Tauziehen um Puigdemont aber noch nicht beendet. Jetzt muss das OLG in Zusammenarbeit mit der spanischen Justiz prüfen, ob der Vorwurf der Veruntreuung gerechtfertigt ist. Puigdemont wird vorgehalten, rund 1,6 Millionen Euro aus der Staatskasse zur Abhaltung des Unabhängigkeitsreferendums abgezweigt zu haben. Sein deutscher Anwalt Wolfgang Schomburg sagte, er sei überzeugt, dass auch dieser Vorwurf fallengelassen werde. Mit einer Entscheidung wird in den kommenden Wochen gerechnet.

Berlin für Lösung "innerhalb der spanischen Verfassungsordnung"

Die Reaktionen der beiden Regierungen in Berlin und Madrid auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts fielen denkbar unterschiedlich aus. Während sich in Berlin die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer mit einer Bewertung der Justizentscheidung zurückhielt und grundsätzlich mit Blick auf die katalanischen Separatisten erklärte, dass der Konflikt „innerhalb der spanischen Rechts- und Verfassungsordnung gelöst werden muss“, hielt Spaniens Justizminister Rafael Catala mit seiner Enttäuschung nicht hinter dem Berg. „Einige Justizentscheidungen gefallen uns besser, andere weniger“, sagte der Minister.

Theoretisch könnte Madrid Chance zur Erhaltung der Rebellions-Anklage wahren

Denkbar ist allerdings auch die Möglichkeit, dass die spanische Justiz den europäischen Haftbefehl erneut zurückzieht, wie Madrid dies im vergangenen Dezember bereits getan hatte. Zuvor hatte sich bereits in Belgien, wo sich Puigdemont seinerzeit im Exil befand, abgezeichnet, dass eine Auslieferung wegen des Vorwurfs der Rebellion sich als schwierig erweisen würde. Anschließend hatte Madrid den Haftbefehl erneuert, bevor Puigdemont von der Autobahnpolizei in Schleswig-Holstein vor knapp zwei Wochen verhaftet worden war. Theoretisch könnte die Justiz in Spanien den europäischen Haftbefehl nun komplett fallen lassen und damit die Anklagemöglichkeit wegen Rebellion gegen den 55-Jährigen trotz der Entscheidung des OLG aufrecht erhalten. Puigdemont könnte dies aber umgehen, indem er auf eine Einreise nach Spanien verzichtet.

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