zum Hauptinhalt
Christian Lindner (Mitte), FDP Bundesvorsitzender, beim Bundesparteitag der FDP. Foto: Michael Kappeler/dpa

© dpa/Michael Kappeler

Zu wenig im FDP-Angebot : Christian Lindner liefert nur Altbekanntes

Zentrale Botschaft zwei Wochen vor der Bundestagswahl von FDP-Chef Christian Lindner: Wer Schwarz-Grün verhindern will, muss die FDP wählen. Das soll es gewesen sein?

Stefanie Witte
Ein Kommentar von Stefanie Witte

Stand:

Der FDP läuft die Zeit davon. Das wissen alle in der Partei. Das sehen auch die Wähler. Schaffen es die Liberalen jetzt, genau jetzt, noch in den Umfragen über die magische Fünf-Prozent-Hürde oder nicht? Davon werden viele Unentschlossene ihre Entscheidung abhängig machen.

Und so kommt in diesen letzten Tagen vor der Bundestagswahl alles auf den Vorsitzenden an. Christian Lindners Gesicht prangt auf Plakaten, Bussen, knapp zehn Meter hohen Transparenten. Lindner tritt auf in Wahlkampfspots, sitzt in Talk-Runden, Lindner ist derzeit die FDP. Scheitert Lindner, scheitert die Partei. Und umgekehrt.

Entsprechend groß war die Erwartung an Lindners Rede beim außerordentlichen Parteitag der Liberalen, exakt zwei Wochen vorm Wahltag. Sie war eine Chance, etwas zu drehen, endlich die von vielen beschworene, von manchen mittlerweile verzweifelt ersehnte Wende herbeizuführen.

Lindner liefert wenig Überraschendes

Was liefert Christian Lindner nur Stunden vor dem vermeintlichen Spitzenduell Scholz gegen Merz? Vor allem Altbekanntes, Reaktionen auf alte Verletzungen, die Wiederholung von Narrativen, die die einen teilen und die anderen für Unsinn halten. Etwa die Abgrenzung zu den Grünen, Habeck- und Scholz-Bashing. Reicht das?

Wenn einzelne Zitate aus der Metropolis-Halle in Potsdam in den Häusern und Wohnungen der potenziellen Wähler landen, dürften sie die wenigsten überraschen, vermutlich auch wenige Unentschlossene überzeugen. Vielmehr kommt es nun auf die Wahlkämpfer an, die derzeit immer wieder hören, dass FDP-Interessierte zwar mit Programm und Ausrichtung sympathisieren, ihre Stimme aber nicht verschenken wollen.

Bis heute stimmen die Erzählungen aus Fraktionsspitze und prominenter Abgeordneter nicht überein.

Stefanie Witte, Stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros

Indes gärt es in der Partei selbst. Nicht nur in den Ortsverbänden, in denen so manche nicht nachvollziehen können, dass sich die Bundestagsfraktion für eine Abstimmung mit den Rechten hergegeben hat.

Drei Tabus mögen auch in der Parteiführung die wenigsten anfassen oder auch nur darüber reden: eine mögliche Niederlage, den fehlenden Zusammenhalt in der Partei, die Lindner-Nachfolge. Dabei werden sich die Freien Demokraten möglicherweise schon sehr bald mit allen dreien befassen müssen.

Die Einigkeit steht spätestens seit der Woche zuvor infrage. Bis heute stimmen die Erzählungen aus Fraktionsspitze und prominenter Abgeordneter nicht überein: Wer hat wann wen informiert? Wie konnten sich Fraktionsspitze und Parteiführung derart darauf festlegen, dass „die Fraktion“ für den Migrationskurs der Union gemeinsam mit der AfD stimmen werde?

Letztlich gab es in der viel kleineren Fraktion mehr Abweichler als in der CDU und CSU. Und das, obwohl die FDP stark in den Tag gestartet war, sich als Mittler präsentierte, als einziger Akteur, der in einer massiv verfahrenen Situation noch etwas hätte bewirken können.

Am Ende des Tages zeigten viele mit dem Finger auf die Freien Demokraten und in der Partei entlud sich der Frust so laut, dass er über geleakte Chat-Protokolle öffentlich wurde. Alles Anzeichen dafür, dass Lindner den Laden nicht mehr im Griff hat.

Jeder, der jetzt kritisiert, muss sich vorwerfen lassen, alles zu riskieren

Rund um den Parteitag und im Wahlkampfendspurt sind nun viele clever genug, die Gräben nicht weiter zu vertiefen. Jeder, der der Parteiführung jetzt noch kritisch gegenüber auftritt, muss sich vorwerfen lassen, alles zu riskieren.

Doch hinter den Kulissen zeichnet sich bereits ab, wer in einer möglichen Post-Lindner-Ära zum Zuge kommen könnte. Johannes Vogel, Konstantin Kuhle, endlich auch jüngere Frauen wie Gyde Jensen, Ria Schröder und Franziska Brandmann könnten diese neue Ära prägen.

Es wäre die Chance für einen Neuanfang. Für eine Partei, die nicht mehr nur ein Gesicht hat, sondern viele, in der eine neue Generation mit neuen Ideen übernimmt.

Zuspitzung, Populismus und Nibelungentreue zu einem Vorsitzenden, der zuletzt vielfach im Alleingang agierte, könnten Teamwork weichen. Ein neuer Kurs, eine breitere Definition von Liberalismus: Es könnte eine gute Zeit sein für die Partei, selbst in der Opposition.

Fraglich ist allerdings, ob ein solcher Neuanfang noch rechtzeitig kommt. Zwar verweist die FDP auf zahlreiche Neueintritte. In der Breite der Gesellschaft zieht es jedoch immer weniger Wähler zu den Freien Demokraten. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })