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Die Polizei hat hierzulande viele neue Aufgaben zu bewältigen.

© Alexander Heinl/dpa

Zu wenig Polizisten?: Nur im Osten schrumpfte die Zahl der Beamten

Bund und Länder sollen bei der Polizei jahrelang Stellen reduziert haben – doch das stimmt nicht ganz.

Nach den sexuellen Übergriffen von Köln an Silvester mehren sich die Forderungen aus Politik und Gewerkschaften, die Polizeikräfte aufzustocken. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verlangte zuletzt, in den nächsten vier Jahren mindestens 12.000 neue Polizisten einzustellen. Zustimmung bekommt er von Wolfgang Bosbach (CDU), der Innenpolitiker hält bis zu 15.000 neue Kräfte für gerechtfertigt. Bereits im August nach einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim hatten sowohl Bosbach als auch der SPD-Politiker Burkard Lischka nach mehr Polizisten gerufen. Lischka sagte: „Hier liegt die eigentliche Aufgabe für Bund und Länder, die in den vergangenen Jahren einen umfangreichen Personalabbau gerade bei der Polizei betrieben haben.“ Die Gewerkschaften sprechen von insgesamt 16.000 Beschäftigten, die abgebaut worden seien. Doch stimmt das überhaupt?

300.000 Planstellen bei der Polizei

Leider gibt es zum Stellenabbau bei der Polizei keine übereinstimmenden Statistiken. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, der Gewerkschaften oder der Antworten auf Anfragen im Bundestag unterscheiden sich zum Teil erheblich. Das Statistische Bundesamt hat dabei die übersichtlichste Statistik erstellt, weil das Amt Vollzugs- und Verwaltungsbeamte zusammenzählt. Man könne schlicht und einfach nicht unterscheiden, wer in der Verwaltung und wer letztendlich im Vollzug arbeite, erklärt das Bundesamt. Dessen Statistik hat zudem den Vorteil, dass sie nicht jede einzelne Stelle, sondern Vollzeitäquivalente zählt. Zwei Halbtagsstellen ergeben also eine Planstelle. Davon gibt es bei der Polizei demnach zurzeit knapp 300.000.

Aus den Zahlen des Bundesamtes ergibt sich ein differenziertes Bild über den vermeintlich massiven Abbau der Polizei in den vergangenen Jahren. Bei den gelisteten Beamten, also Polizisten und verbeamteten Verwaltungsmitarbeitern, sind seit 1998 nicht etwa 16.000, sondern nur etwas weniger als 6300 Stellen weggefallen. Der Großteil des Abbaus im Polizeiapparat auf Landesebene – mehr als 10.000 Stellen – fand bei den Angestellten statt, die größtenteils Verwaltungstätigkeiten ausführen und nicht etwa als Streifenpolizisten unterwegs sind.

In Bayern und Rheinland-Pfalz stieg die Zahl der Beamten

Aber nicht überall geht die Zahl der Beamten zurück. So ist eine Reduzierung des Polizeiapparats besonders in den ostdeutschen Ländern zu beobachten. In Sachsen-Anhalt fiel seit 1998 etwa ein Viertel aller Beamten weg, während in Bayern oder Rheinland-Pfalz die Zahl der Beamten sogar um je sieben Prozent stieg. Der Rückgang im Osten liegt vor allem daran, dass nach dem Mauerfall die meisten ehemaligen Volkspolizisten in den Landesdienst übernommen wurden, der damit üppiger besetzt war als im Westen. Ausscheidende Beamte wurden daher nicht ersetzt. Insgesamt schrumpfte der Polizeiapparat im Osten, einschließlich Berlin, um 7,7 Prozent. Im Westen wuchs er um 1,4 Prozent. Betrachtet man zudem die Beamten pro 100.000 Einwohner, also die „Polizeidichte“, liegt der Osten jetzt hinter den alten Bundesländern. Im Westen kommen 243 Polizisten auf 100.000 Einwohner, im Osten sind es 229. Bei der Bundespolizei ging die Zahl der Beschäftigten um knapp 1000 auf etwa 42.000 zurück. Doch nur, weil es weniger Angestellte gab.

Polizei muss neue Herausforderungen bewältigen

Genau hier liege allerdings das Problem, sagt Michael Böhl, stellvertretender Leiter des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Wenn Polizisten auf einmal Akten herumkutschieren müssen und alle Protokolle selbst tippen, bleibt eben kaum noch Zeit für die eigentliche Arbeit“, kritisiert Böhl. Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), will auch deshalb zusätzlich 9000 Beamte im Polizeidienst einstellen. Er begründet die Forderung mit der zunehmenden Überforderung der Polizei. In der Tat addieren sich die Überstunden der Polizisten in den Bundesländern auf knapp zehn Millionen.
Das muss nicht unbedingt am Stellenabbau liegen. Die Polizei stehe eben vor neuen Herausforderungen, „ob bei der Überwachung von Gefährdern, bei der Bekämpfung der Alltagskriminalität, beim Vorgehen gegen zunehmende rechtsextreme Gewalttaten oder beim Schutz der Grenzen“, erklärt der SPD- Politiker Lischka. Insofern sei eine Aufstockung des Personals nur folgerichtig. Rückendeckung bekommt er vom BDK-Vorsitzenden Böhl: „Terrorismus, Extremismus, Internationale Kriminalität: Die Zahl der Aufgaben wächst täglich und die Zahl der Ermittler schrumpft.“ So könne man Verbrechen nicht effektiv bekämpfen.
Auch die Opposition im Bundestag unterstützt das Ansinnen. Die Bundespolizei sei chronisch unterbesetzt, heißt es von den Grünen. „Hinzu kommt, dass die Bürgerinnen und Bürger zurecht erwarten, dass die Polizei in der Lage ist, auch unerwartete Situationen zu bewältigen. Es gibt also gute Gründe mehr Personal zu fordern“, sagte Irene Mihalic, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, dem Tagesspiegel.
Erste Maßnahmen gibt es bereits: NRW hat die Zahl der Polizeianwärter angehoben und die Bundespolizei erhält 3000 neue Stellen.

Nils Wischmeyer

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