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Postmindestlohn: Zurück zum Absender

Der Postmindestlohn ist rechtswidrig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag entschieden. Welche Folgen hat das?

Wenn Juristen am Werk sind und es um Geld geht, wird es schnell unübersichtlich. Und dann noch die unterschiedlichen Sichtweisen der Interessenverbände: „Der Mindestlohn ist nichtig“, freut sich die Konkurrenz der Post über das Urteil. „Der Mindestlohn ist bestätigt worden“, meint Verdi. Die Wahrheit hat also mal wieder viele Facetten; welche sich am Ende durchsetzt, hängt entscheidend an einer Person: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Unstrittig ist der Tatbestand eines Formfehlers. Die Regierung hat bei der Einführung des Mindestlohns „die Beteiligungsverfahren nicht eingehalten“, schreibt das Bundesverwaltungsgericht. Die damalige Rechtsverordnung war nicht korrekt. Gewerkschaften und Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände sind sich nun einig, wie dieser Fehler korrigiert werden könnte: durch eine neue Verordnung, die dieses Mal den Beteiligungsnotwendigkeiten gerecht wird. Ganz einfach also. Doch hat sich seit der Anfang 2008 in Kraft getretenen Verordnung und dem gestrigen Urteil etwas gravierend verändert: die Regierung.

Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag dokumentiert die Distanz zu Mindestlöhnen. Die branchenweite Gültigkeit von Tarifverträgen und damit von tarifvertraglich festgelegten Mindestlöhnen soll „einvernehmlich im Kabinett geregelt werden“. Das ist schon schwer genug. „Voraussetzung“ für eine solche regierungsamtliche Verordnung eines Mindestlohns für eine bestimmte Branche ist aber auch noch „eine Mehrheit im Tarifausschuss“. Dieser Ausschuss, angedockt am Arbeitsministerium, besteht aus sechs Personen: jeweils drei vom DGB und der Vereinigung der Arbeitgeberverbände. Und ein Konsens im konkreten Fall ist unwahrscheinlich, wie Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kurz nach dem Leipziger Urteil ankündigte. Wenn die Tarifparteien des Postgewerbes einen ähnlichen Tarif wie den gegenwärtigen vorlegen sollten, „werde ich unseren Vertretern im Tarifausschuss empfehlen, diesem nicht zuzustimmen“.

Hundt spricht von einem „Monopolsicherungslohn“ und benutzt damit die Sprache der Postwettbewerber, die der Deutschen Post und Verdi schon immer einen Tarifvertrag inklusive Mindestlohn eben zulasten dieser Wettbewerber vorgeworfen haben. Verdi und die Post hatten sich auf mindestens 8,40 Euro im Osten und 9,80 Euro im Westen verständigt; rund 200 000 Beschäftigte fallen angeblich darunter.

Auf der anderen Seite steht der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste, der mit einer dubiosen Gewerkschaft folgende Stundenlöhne vereinbarte: 7,50 Euro im Westen sowie 6,50 Euro im Osten. Diese geringeren Löhne sind nun gewissermaßen durch das Leipziger Urteil legalisiert. Anders gesagt: Die Postkonkurrenten wie Pin und TNT können jetzt ohne Risiko ihre Leute schlechter bezahlen als die Post und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Auch deshalb, weil die Post mit ihren Tarifen inklusive Mindestlohnsätzen kaum runtergehen kann. Dazu gibt es zu viele Gewerkschaftsmitglieder in der Belegschaft des früheren Monopolisten, die das zu verhindern wissen.

Unterm Strich gibt es also diverse Verlierer der Leipziger Entscheidung: die Deutsche Post AG und Verdi, alle Beschäftigten der Branche und schließlich auch die Politik, die wegen eines Fehlers erneut tätig werden muss – und sich aber vermutlich doch hinter dem Tarifausschuss der Sozialpartner verstecken wird. Bislang hat sich der Ausschuss mit fünf Branchen beschäftigt. Eine Einigung gab es für die Abfallwirtschaft (8,02 Euro in Ost wie West), für Großwäschereien (von 6,36 bis 7,51 Euro) und für den Steinkohlenbergbau (11,17 Euro). Keine Einigung und damit keinen Mindestlohn gibt es dagegen im Wachschutz- und Sicherheitsgewerbe und im Bereich Weiterbildung.

Am 10. Februar stehen als Nächstes die Dachdecker und Gebäudereiniger auf der Tagesordnung des Ausschusses. Der angepeilte Mindestlohn bei den Dachdeckern liegt bei 10,60 Euro. Komplizierter ist das Lohngefüge bei den Gebäudereinigern. Für die mit der Innenreinigung befassten Beschäftigten geht es um 6,83 Euro (Ost) respektive 8,40 Euro (West); bei den Außenreiniger reicht die Spanne von 8,66 Euro bis 11,30 Euro. Es ist offen, ob sich Gewerkschafter und Arbeitgeber auf die Sätze verständigen werden. Und selbst wenn: Das letzte Wort hat die Politik. Und da maßgeblich die Arbeitsministerin. Ursula von der Leyen hat sich im Fall Schlecker explizit gegen Dum- pinglöhne ausgesprochen. Wie ernst sie das meint, kann sie in vielen anderen Branchen zeigen.

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