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20 Jahre lang war der Diplomat als russischer Gesandter tätig. Seit 2019 vertrat er Russland bei der UN in Genf.

© Andreas Haas/Imago

„Viele sind nahe dran, dasselbe zu tun wie ich“: Zurückgetretener Russland-Diplomat kritisiert Außenpolitik seinen Landes

Nach seinem Rücktritt bei den UN spricht Boris Bondarew offen über die Schwächen des Kremls. In einem Interview übt er auch Kritik an Ex-Kollegen.

Der einstige russische Botschaftsrat Boris Bondarew hat nach seinem Rücktritt bei den Vereinten Nationen die Strategien der russischen Außenpolitik kritisiert. Während es in anderen Ländern um das nationale Interesse ginge, ziele die russische Politik nur darauf ab, „der Hierarchie oder einigen ganz bestimmten Personen zu gefallen“, sagte der 41-Jährige der „Welt“.

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Bondarew hatte am Montag aus Protest gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nach 20 Jahren den Dienst am UN-Sitz in Genf quittiert. Die Entscheidung zum Rücktritt habe der Diplomat am Tag des Kriegsbeginns getroffen.

Die Umsetzung habe allerdings wegen Sicherheitsbedenken einige Zeit gedauert. „Ich bin kein Held. Aber meine Eltern haben mich so erzogen: Ein Mensch muss eine Meinung haben und dann auch danach handeln.“, so Bondarew.

Über Ex-Kollegen aus der russischen Delegation äußerte er sich ebenfalls kritisch. „Sie wissen ganz genau, dass die Propaganda nicht der Wahrheit entspricht, verbreiten sie aber trotzdem, weil es eben ihre Pflicht ist.“, erklärte er.

Kreml sieht Bondarew als Gegner

Auch wenn gerade diese Kollegen wahrscheinlich erschüttert über seinen Rücktritt waren, seien die meisten Nachrichten zu seinem Rücktritt insgesamt aber positiv und ermutigend gewesen. „Es gibt viele russische Diplomaten, die nahe dran sind, dasselbe zu tun wie ich.“, so Bondarew weiter.

Der Kreml hatte sich nach der Kündigung des russischen Diplomaten von ihm distanziert. „Man kann hier wahrscheinlich nur sagen, dass Herr Bondarew nicht mehr zu uns gehört - vielmehr, dass er gegen uns ist“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax.

[Lesen Sie außerdem zu diesem Thema: Putins Nazi-Vergleiche : Das russische Propaganda-Paradox (T+)]

Peskow sagte dazu: „Er hat die Handlungen der russischen Führung verurteilt - und die Handlungen der russischen Führung werden praktisch von der gesamten Bevölkerung unseres Landes unterstützt. Das bedeutet, dass sich dieser Herr gegen die allgemein vorherrschende Meinung unseres Landes ausgesprochen hat.“

Bondarew hat mittlerweile von Behörden in seiner Wahlheimat Genf Schutz zugesichert bekommen. Nun wolle er seine Kompetenzen „einer besseren Welt zur Verfügung stellen“. (Tsp)

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