Politik: Zwischen den Polen
Angela Merkel muss derzeit an vielen Fronten kämpfen – aus den Stammländern der Union kann sie nicht auf Rückhalt hoffen.
Berlin - Der Wind weht der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel derzeit von allen Seiten heftig ins Gesicht. Euro-Skeptiker werfen ihr vor, sie habe sich in Brüssel über den Tisch ziehen lassen von Staatschefs krisengeplagter Länder. Aus dem Süden wehen Drohungen des bayrischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Horst Seehofer heran, die Koalition platzen zu lassen, wenn denn immer neue Belastungen auf Deutschland zukommen sollten durch die Rettungsmaßnahmen für Krisenländer. In Berlin selbst formiert sich ein Kreis von Parteifreunden, um dem Modernisierungskurs der Parteichefin – manche nennen ihn auch einen Kurs der Beliebigkeit oder Unentschlossenheit – ein konservatives Gewicht entgegenzusetzen.
Die Unruhe ist spürbar in der Union, und Angela Merkel wäre nicht Angela Merkel, würde sie mit ihrem ausgeprägten Sensorium für Stimmungen und Widerstände die Situation nicht erahnen. Wenn der Druck im Kessel zu groß wird, sollte man die Ventile öffnen. Man muss nicht einmal Physikerin sein, um das zu wissen. Merkel will sich deshalb einmal mehr der Basis stellen. Vor dem Dezember-Parteitag der CDU sind, wie am Donnerstag aus der Parteizentrale bestätigt wurde, sechs Regionalkonferenzen zwischen dem 8. Oktober und 13. November geplant. An allen (Düsseldorf, Fulda, Potsdam, Schwerin, Bad Fallingbostel, Ludwigshafen) wird die Parteichefin selbst teilnehmen, neben ihr auch Generalsekretär Hermann Gröhe.
Aus den Ländern, die für die Union von besonders hoher Bedeutung sind und wo sie normalerweise vornehmlich das Personal rekrutiert für höhere Aufgaben im Bund, also Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, kann Merkel derzeit keine Unterstützung erwarten. Von Seehofer aus München kommen ständige Störfeuer, in Düsseldorf ist die CDU ganz damit beschäftigt, nach dem Röttgen-Desaster die Wunden zu lecken, in Stuttgart verharrt die CDU in Schockstarre, seit sich das ganze Ausmaß des EnBW-Deals von Ex-Regierungschef Stefan Mappus offenbart (siehe unten).
Auch wenn die Union mit sich hadert – in den Umfragen ist davon nichts zu spüren: Im Deutschlandtrend vom Donnerstag legte sie um einen Prozentpunkt zu und die Kanzlerin kletterte im Politiker-Ranking auf den höchsten Wert seit zweieinhalb Jahren. sc