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Pistorius und Merz bei einer Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung im Bendlerblock.

© Britta Pedersen/dpa

Zwischen Krieg und Frieden: Merz trifft einen wunden Punkt

Der Kanzler redet, dass man ihn versteht – aber man versteht eben auch, dass er einen Krieg nicht für ausgeschlossen hält. Vielleicht muss nun noch mehr für den Frieden getan werden.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Zwischenruf von Stephan-Andreas Casdorff

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Sage ungewöhnliche Dinge mit gewöhnlichen Worten, sagt so ähnlich der ungewöhnliche Arthur Schopenhauer. Kein kleiner Geist. Und für gewöhnlich reden Politiker ja nicht immer so wie jetzt Friedrich Merz: „Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden.“

Genau so ist es. Merz legt den Finger in die Wunde, gewissermaßen. Vor allem: Man versteht den Satz, kann ihn im besten Sinn des Wortes nachvollziehen. Nichts von hybrider oder asymmetrischer Kriegführung, was man sich ja als Nicht-Militär erst einmal übersetzen muss, um das Aseptische herauszuoperieren.

Nun geht es aber doch noch um die Interpretation. Da ist Merz, der christdemokratische Kanzler, nah beim sozialdemokratischen Verteidigungsminister Boris Pistorius. Der drückt es ähnlich aus.

Bloß dass er das operationalisiert, will sagen: daraus die Konsequenz für Um- und Aufrüstung der Bundeswehr zieht. Pistorius nennt das die „Kriegstüchtigkeit“, die wir als Land erreichen müssen. So viel operative Führung muss sein, wenn man glaubt, tatsächlich Krieg führen zu müssen, demnächst, gegen Russland.

Merz und Pistorius vs. Mützenich und Stegner

Nur ist dieser Ansatz, der von Merz und Pistorius, ein anderer als der von, sagen wir, Rolf Mützenich und Ralf Stegner. Diese beiden Sozialdemokraten – der eine, Mützenich, promovierter Fachmann für Sicherheitspolitik – sagen auch nichts gegen Um- und Aufrüstung der Bundeswehr. Sie halten es aber mehr mit Willy Brandt, dem legendären SPD-Chef und Kanzler, der für seine Entspannungspolitik gen Osten den Friedensnobelpreis erhielt.

Auch Brandt wollte zu seiner Zeit in den siebziger Jahren die (damals allein westdeutsche) Bundeswehr aufbauen, mit erstaunlich hohen Anteilen vom Bruttoinlandsprodukt, ähnlich wie heute. Allerdings war sein Ansatz, aus einer Position der relativen Stärke, umso besser dauerhaften Frieden schaffen zu können: Mehr Frieden wagen.

Kriegstüchtigkeit, Friedensfähigkeit – dahinter steht unterschiedliches Denken, davon eines, das einbezieht, dass es ein Europa ohne Russland als Nachbarn nicht geben wird. Selbst nach einem Krieg.

Es sei denn, einer wollte ein Armageddon. Das ist ein ungewöhnliches Wort für den Ort der endzeitlichen Entscheidungsschlacht in der Offenbarung des Johannes; eine sehr große, alles zerstörende Katastrophe. Das hat der Christ Friedrich Merz aber mal lieber nicht gesagt. Verständlich. Noch haben wir ja ein bisschen Frieden.

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