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Brandenburg: „ Generalverdacht nicht nachvollziehbar“

Ralph Bührig, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam, über die Folgen des neuen Mindestlohngesetzes für Betriebe in Brandenburg und Erwartungen an die Bundesregierung

Stand:

Herr Bührig, der seit Anfang des Jahres gültige allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro trifft beim deutschen Handwerk auf Kritik. Wieso?

Das kann man nicht so pauschal sagen. Die Höhe des neuen Mindestlohns ist für die meisten Betriebe kein Problem. Viele Betriebe haben auch schon vorher mehr bezahlt. Im Bauhandwerk oder im Malerhandwerk verdienen Mitarbeiter als Lohnuntergrenze mehr als zehn Euro. Das, was Handwerker kritisieren, ist die mit dem Gesetz verbundene zusätzliche Bürokratie. Das führt zu unnötigen Mehrbelastungen.

Was müssen die Betriebe machen, was sie vorher nicht machen mussten?

Es gibt da verschiedene Gesichtspunkte, die von unseren Betrieben auch zu Recht kritisiert werden. So sieht das Gesetz vor, dass bei allen geringfügig Beschäftigten die Arbeitszeiten peinlich genau festgehalten werden müssen. Damit stellt man alle Arbeitgeber unter Generalverdacht.

Wieso?

Aufzeichnungspflichten gibt es in den von Schwarzarbeit besonders betroffenen Branchen schon lange. Das ist auch weitgehend akzeptiert. Offensichtlich unterstellt die Politik nun aber pauschal, dass es alle deutschen Arbeitgeber bei geringfügig Beschäftigten nicht so genau nehmen wollen. Ein solcher Generalverdacht ist nicht nachvollziehbar und auch nicht gerechtfertigt. Anlassbezogene Überprüfungen wären völlig ausreichend.

Was bedeutet das Mehr an Bürokratie im Alltag für einen Betrieb?

Es gibt in allen Handwerksbetrieben häufig ein eingespieltes und sehr vertrauensvolles System zwischen Chef und Mitarbeitern, wie Arbeitszeiten erfasst werden. Und in dieses System wird eingegriffen. Es ist zum Beispiel durchaus Praxis, dass Mitarbeiter lediglich die Zahl ihrer Stunden aufschreiben, der Chef gegenzeichnet und das dann für die Lohnabrechnung gesammelt wird. Das, was jetzt gefordert wird, geht weit darüber hinaus. Damit müssen betriebliche Prozesse umgestellt werden.

Union und SPD haben nun eingelenkt und wollen das Mindestlohngesetz noch einmal überprüfen. Was erwarten Sie?

Ich plädiere dafür, dass man sich wirklich die Dinge noch mal ganz genau ansieht, grundsätzliche Diskussionen über den Mindestlohn wird es nicht mehr geben. Aber wenn die Erfahrungen ergeben haben, dass hier und da durch einfache Änderungen Bürokratie vermieden werden kann, dann sollten diese Änderungen umgesetzt werden. Ich bin mal optimistisch, dass die Bedenken unserer Betriebe auch bei der Politik auf Einsicht stoßen.

Der Mindestlohn gilt nicht für alle Branchen. Warum?

Es gibt Übergangsfristen für einzelne Branchen. Insbesondere ist das Friseurhandwerk betroffen. Das Friseurhandwerk hat sich ja schon lange vor dem Mindestlohngesetz auf den Weg gemacht, um stufenweise die 8,50 Euro zu erreichen. Das wird im Sommer dieses Jahres der Fall sein. Dann gilt im gesamten Handwerk die Untergrenze von 8,50 Euro – mit der Besonderheit, dass einige Branchen auch weiterhin darüber liegen.

Gerade für das Friseurhandwerk, aber auch für Fleischer oder Bäcker, wird aber noch mit Problemen durch den Mindestlohn gerechnet.

Es gibt Branchen, die sich im heftigen Wettbewerb befinden. Gerade die Lebensmittelhandwerke waren auch vor dem Mindestlohn schon in einer schwierigen Situation, weil sie im Wettbewerb zu Supermarktketten stehen. Die bauen beispielsweise ihr Backwarenangebot ständig weiter aus. Und wenn in einer solch schwierigen Marktlage dann noch der Kostenfaktor Personal verändert wird, stehen diese Betriebe vor großen Herausforderungen. Das wird natürlich auch zu Preisanpassungen führen. Darüber müssen sich die Kunden im Klaren sein. In den letzten Wochen hat es etwa bei den Friseuren und im Lebensmittelhandwerk Preisanhebungen gegeben. Ich bin aber optimistisch, dass sich die Qualität handwerklicher Produkte und Leistungen behaupten kann.

Es gibt die Sorge, dass der Mindestlohn wieder zu mehr Schwarzarbeit führt. Teilen Sie diese Sorge?

Es ist zumindest so, dass einige schwarze Schafe versuchen werden, die Vorschriften zu umgehen, das zeigen ja auch die Erfahrungen der vergangenen Jahre. An dieser Stelle ist aber ganz klar, dass hier auch die Kontrolltätigkeit angepasst werden muss. Es ist ein Geburtsfehler des Gesetzes, dass die zusätzlichen Kontrolleure erst im Laufe der nächsten Jahre eingestellt werden sollen. Die Bundesregierung spricht ja von 1600 neuen Kontrolleuren. Wenn die erst in den nächsten Jahren kommen, ist das sicherlich zu spät.

Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, sagt, weil Handwerksbetriebe als Generalunternehmer auch für die Einhaltung des Gesetzes durch Subunternehmer sowie durch deren Auftragnehmer haften, nehmen kleine und mittlere Betriebe kaum noch größere Aufträge an. Trifft das auch auf Betriebe in Brandenburg zu?

Der durchschnittliche brandenburgische Handwerksbetrieb hat vier Beschäftigte. Das brandenburgische Handwerk ist also sehr kleinteilig. Wenn ein solcher Betrieb einen größeren Auftrag übernimmt und mit der Ausführung dann Subunternehmer beauftragt, dann ist die Möglichkeit zur Kontrolle eingeschränkt. Es ist doch lebensfremd, zu glauben, dass der Handwerksmeister auch die Lohnunterlagen seiner Subunternehmer effektiv prüfen kann. Holger Schwannecke hat daher recht, dass auch die Generalunternehmerhaftung auf den Prüfstand gehört.

Kann der Mindestlohn helfen, mehr Jugendliche für eine Ausbildung im Handwerk zu gewinnen?

Klar ist, dass für Jugendliche bei der Berufswahl auch die künftigen Verdienstaussichten eine Rolle spielen. Ich sagte ja schon, die 8,50 Euro sind für die meisten Betriebe kein Problem. Das gilt es in nächsten Jahren weiter in den Vordergrund zu rücken: dass Handwerk nicht nur spannende Tätigkeiten bietet, sondern auch gute Verdienstaussichten.

Das Interview führte Matthias Matern

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