Brandenburg: 150 Polizisten für sieben Häftlinge Sicherungsverwahrte ohne Erfahrungen in Freiheit
Berlin - Sieben Straftäter stehen zur baldigen Entlassung an, 14 weitere Häftlinge mit Sicherungsverwahrung könnten in Berlin noch folgen. Wann die Männer in Freiheit kommen, steht aber noch nicht fest.
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Berlin - Sieben Straftäter stehen zur baldigen Entlassung an, 14 weitere Häftlinge mit Sicherungsverwahrung könnten in Berlin noch folgen. Wann die Männer in Freiheit kommen, steht aber noch nicht fest. „Nach dem Straßburger Urteil entscheidet unsere Strafvollstreckungskammer“, sagte Justizsprecher Bernhard Schodrowski. Bleiben die Langzeithäftlinge danach hinter Gittern, können sie Rechtsmittel einlegen, dagegen wiederum kann Berlin rechtlich vorgehen.
„Vor Weihnachten ist keiner draußen“, prophezeit ein Beamter. Das Problem wird dann im kommenden Jahr deutlich: Keiner der sieben Männer hat Erfahrungen in Freiheit, Resozialisierungsangebote waren dürftig. „Die kennen keine Handys und kein Internet“, heißt es. Unter Bewachung dürfen die Männer derzeit für kurze Behörden- und Spaziergänge aus Tegel raus. Alle Männer bekommen zwei Bewährungshelfer, einen Mann und eine Frau, und harte Führungsauflagen: Die Verwahrten seien „umfangreich psychiatrisch begutachtet“ worden, es gebe „präzise Maßnahmen“ – etwa Alkohol- oder Fahrverbot, Wohnort- oder Jobwechsel sind vorher anzumelden, das Mitführen möglicher Tatwerkzeuge wie Messer ist untersagt. Doch sollte die Polizei erneute Straftaten erwarten, kann das aufwendig werden. Dazu müssten Mobile Einsatzkommandos gebildet werden, eine 24-Stunden-Observation bindet pro Person 20 Beamte. Michael Reinke, Vizelandeschef der Gewerkschaft der Polizei, sagte dem Tagesspiegel, man müsse damit rechnen, dass alle sieben Langzeithäftlinge zu überwachen seien. Dafür seien Kennern zufolge bis zu 150 Beamte nötig, das könne die Berliner Polizei keine zwei Wochen durchhalten. „Das Personal ist nicht vorhanden“, sagte Reinke. Gestritten wird vor allem um sieben Männer zwischen 50 und 69 Jahren, die aus dem Gefängnis Tegel entlassen werden müssten. Sie sind wegen schwerer Gewalttaten verurteilt worden, vor allem Sexualverbrechen. Außerdem steht bei 13 weiteren als gefährlich eingestuften Insassen in den kommenden Jahren eine Entlassung an. Aus dem Hause von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) heißt es, niemand wisse, ob neue Taten zu erwarten seien. Eingliederung in ein Leben außerhalb des Gefängnisses stehe aber im Vordergrund.
Dass Auflagen ins Leere laufen können, hat zuletzt der Fall des Sexualtäters Uwe K. gezeigt. Trotz strenger Überwachung war es dem Vorbestraften laut Staatsanwaltschaft gelungen, 2008 zwei Mädchen in Spandau zu missbrauchen. Ähnlich wie viele andere Juristen äußerte sich der Berliner Strafverteidiger Sebastian Scharmer, der mehrere Sicherungsverwahrte in der Stadt betreut: „Observation ist teuer – man sollte das Geld lieber für angemessene Wiedereingliederungshilfen und sinnvolle Therapien ausgeben.“
Das Gericht in Straßburg bemängelte, dass Deutschland 1998 die Höchstgrenze von zehn Jahren Sicherungsverwahrung gestrichen hatte. Konsequenz: Wer seine Tat vor der Gesetzesänderung begangen hat, muss nach zehn Jahren Sicherungsverwahrung freigelassen werden. Hannes Heine
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