Magen-Darm-Erkrankungen: 2176 kranke Kinder und Jugendliche in Berlin, 1507 in Brandenburg, 160 in Potsdam
UPDATE: Sprunghafter Anstieg von gemeldeten Infektionen bei Kindern in der Region. Die Ursache ist unklar. Neben dem Noro-Virus wird auch über Salmonellen und Gift spekuliert.
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Potsdam/Berlin - In Berlin und Brandenburg steigen ist die Zahl der bekannten Durchfallerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen stark gestiegen; in Berlin sprunghaft. Bis zum Freitag wurden bundesweit knapp 6.500 Fälle registriert, wie die zuständigen Länderministerien mitteilten. Am deutlichsten war die Entwicklung in Berlin, wo ein Anstieg von 400 auf fast 2 200 Fälle verzeichnet wurde. In Brandenburg erhöhte sich die Zahl der Krankheitsfälle um 400 auf 1.500. In Sachsen hat sich die Zahl der betroffenen Kinder auf inzwischen 2.000 Erkrankte mehr als verdreifacht. Thüringen meldete mehr als 760 Erkrankungen, 260 mehr als am Mittwoch. Nach Angaben des RKI waren bislang „überwiegend unkomplizierte Verläufe“ zu beobachten. Einige Schulen und Kindertagesstätten mussten geschlossen werden.
In Brandenburg sind die Kreise Potsdam-Mittelmark, Oberhavel, Dahme-Spreewald, Havelland und Elbe-Elster sowie die Städte Brandenburg und Potsdam betroffen. In der Landeshauptstadt sind nach Angaben der Stadt bisher mehr als 100 Fälle gemeldet worden. Das Potsdamer Bildungsministerium teilte mit, dass 23 Schulen in 15 Kommunen betroffen seien.
In der Landeshauptstadt Potsdam haben fünf Schulen und eine Tagespflegestelle Magen-Darm-Erkrankungen von Kindern gemeldet. Insgesamt sind bis zum jetzigen Zeitpunkt etwa 160 Kinder sowie fünf Erzieher und Lehrer gemeldet, die über Magen-Darm-Beschwerden klagen.
Eine Ermittlungsgruppe von Bund und Ländern die Ursachenforschung vorantreiben. Die „Task Force“ arbeitet unter Federführung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und soll in enger Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden die Ermittlungen koordinieren, wie das Bundesverbraucherministerium am reitag mitteilte. „Wir sind fieberhaft dabei zu untersuchen, worum es sich handelt“, sagte die Staatssekretärin für Gesundheit, Emine Demirbüken-Wegner (CDU), mit Verweis auf den noch unbekannten Erreger. Die Aufklärung der Waren- und Lieferströme im Zusammenhang mit dem Kantinenessen in Schulen und Kitas werde auch über das Wochenende mit Hochdruck vorangetrieben. Noch am Freitag sollten erste rgebnisse der Laboruntersuchungen vorliegen.
Sachsen hat erste Hinweise auf den Norovirus. Er soll über das Essen eines Cateringunternehmens übertragen worden sein. Als Ursachen kämen Noroviren oder ein Gift in Frage, sagte Marlen Suckau, Referatsleiterin für Infektionsschutz in der Berliner Gesundheitsverwaltung, am Freitag. „Ich gehe davon aus, dass es noch mehr Fälle geben wird“, sagte sie. Die genaue Ursache ist noch immer unklar.“ Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Krank enhaushygiene könnten Salmonellen oder Noroviren Auslöser der Erkrankungen sein. „Auf jeden Fall muss es Hygienefehler bei der Produktion gegeben haben“, sagte Vorstandsmitglied Klaus-Dieter Zastrow am Freitag mit Blick auf das Essen.
Dieses Essen stammte vom Catering-Unternehmen Sodexo mit Sitz in Rüsselsheim. Allerdings werte sich der Essenslieferant Sodexo gegen die Vorwürfe, dass verunreinigtes oder verdorbenes Essen die Krankheitsfälle hervorrief. Nach vergleichbaren Untersuchungen gebe es keine Hinweise darauf, dass die Fälle mit Sodexo-Produkten zusammenhängen, teilte der Zulieferer auf der Internet-Seite mit. „Weniger als fünf Prozent der insgesamt von uns belieferten Schulen sind von den Erkrankungen betroffen“, sagte ein Unternehmenssprecher.
In Brandenburg kam es zu einer besonderen Häufung der Krankheitsfälle im Landkreis Potsdam-Mittelmark (zwölf Schulen). Außerden sind die Kreise Dahme-Spreewald (vier Schulen), Märkisch-Oderland (drei Schulen), Oberhavel (zwei Schulen) sowie Elbe-Elster und Barnim (je eine Schule betroffen. In einem Hort in Teltow (Potsdam-Mittelmark) erkrankten nach Angaben der Stadtverwaltung ein Drittel der 118 angemeldeten Kinder. Auch hier liefert die Firma Sodexo das Essen. Das Potsdamer Bildungsministerium verwies darauf, dass gemäß Landesschulgesetz Schülern bis zur Jahrgangsstufe 10 eine warme Mittagsmahlzeit angeboten werden muss. Wegen der Magen-Darm-Erkrankungen blieben am Freitag zwei Grundschulen in Stahnsdorf (Potsdam-Mittelmark) auf Anraten des Gesundheitsamtes geschlossen. Die am 1. Oktober beginnenden, zweiwöchigen Herbstferien könnten die Infektionskette Münch zufolge durchbrechen.
Ungeachtet dessen forderte der Landeselternausschuss in Berlin eine Abkehr von Großküchen in Bildungseinrichtungen. Zudem sollte das Schulessen durch Schule und Eltern mehr kontrolliert werden. „Wir müssen weg von der Großküche. Die Zukunft des Schulessens liegt bei kleinen und mittelständischen Unternehmen“, sagte der Vorsitzende Günter Peiritsch. Nur so sei eine schulnahe und bessere regionale Versorgung gewährleistet. Die AG Schulessen des Landeselternausschusses forderte eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls. Preisdruck und eine mangelnde Kontrolle seien der Nährboden für solche Vorfälle.
In den meisten Fällen verlief die Erkrankung ohne größere Schwierigkeiten. Nur wenige Patienten mussten stationär behandelt werden. Behörden von Bund und Ländern ermitteln nun die Ursachen der Krankheit. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit koordiniert die Ermittlungen zur Herkunft des Essens. Das RKI habe mit Befragungen begonnen, um den Infektionsherd eingrenzen zu können, erklärte eine Sprecherin. Das Institut tausche sich derzeit mit den Ländern aus, die sich primär um die Maßnahmen kümmerten. Involviert ist auch das Bundesinstitut für Risikobewertung.
Das Potsdamer Gesundheitsamt empfiehlt, dass Betroffene mit kleineren Kindern oder Personen mit anderen Grunderkrankungen, vorsorglich Ärzte aufsuchen sollen. Um die Ursache zweifelsfrei zu ermitteln, sind Stuhlproben nötig. Die Erkrankten sollten in der akuten Phase Bettruhe einhalten und auch nach Wegfall der Symptome den Kontakt mit anderen Personen für zirka 48 Stunden einschränken. Empfehlenswert ist die Benutzung eines Hände-Desinfektionsmittels. Da der Erreger noch nicht identifiziert ist, also auch Noroviren möglich wären, sollte das Desinfektionsmittel auch bei diesen Viren wirksam sein. PNN/dpa/dapd
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