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Bundesverwaltungsgericht verhandelt: 38 000 wollen Nachtflug-Verbot in Schönefeld
Das Brandenburger Parlament wird sich mit der Volksinitiative für ein umfassendes Nachtflugverbot am künftigen Großflughafen in Schönefeld befassen müssen. Die Initiative übergab am Montag mehr als 38 000 Unterschriften an Landtagspräsident Gunter Fritsch.
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Potsdam/Leipzig - Neun Monate vor der Eröffnung des Flughafens „Willy Brandt“ in Schönefeld wollen Anrainer mit allen Mitteln ein absolutes Nachtflugverbot durchsetzen. Der Druck von allen Seiten auf die Justiz, aber auch die Politik in Brandenburg und Berlin nimmt zu. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt heute und am Mittwoch über Klagen gegen das geplante Nachtflug-Regime, das An- und Abflüge zwischen Mitternacht und 5 Uhr ausschließt, aber während sogenannter „Randzeiten“ zwischen 5 und 6 Uhr sowie 22 Uhr und 24 Uhr 77 Starts und Landungen erlaubt. Für die Wirtschaft warnte die Industrie- und Handelskammer Cottbus am Montag vor Einschränkungen dieses „Kompromisses“: „Man muss wissen, dass in Schönefeld bisher Flugbetrieb rund um die Uhr erlaubt war“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Krüger.
Parallel zum Rechtsstreit versuchen Bürgerinitiativen, über die Volksgesetzgebung „von unten“ ein Nachtflug-Verbot in Planungsgesetzen und Staatsverträgen mit Berlin wie mit dem Landesentwicklungsprogramm im Landesplan für Schönefeld LEP e.V. durchzusetzen. In Brandenburg hat die von fünf Anti-Fluglärm-Initiativen betroffener Kommunen wie Blankenfelde, Rangsdorf, Zeuthen, Eichwalde und Kleinmachnow getragene Volksinitiative „Für ein landesplanerisches Nachtflugverbot“ in kurzer Zeit seit Juli 38 169 Unterschriften gesammelt, die man am Montag an Landtagspräsident Gunther Fritsch (SPD) übergab. Da die nötigen 20 000 Stimmen wohl übertroffen wurden, wird sich das Parlament mit dem Anliegen befassen, sagte Fritsch, „voraussichtlich im Dezember.“ Selbst wenn die Leipziger Klage scheitert, sei der Volksinitiative „nicht der Boden entzogen“, betonte Vertreter Matthias Schubert (Bürgerinitiative Kleinmachnow) die doppelgleisige Strategie. Sollte der Landtag das Anliegen nicht umsetzen, werde man die nächste Stufe starten, ein Volksbegehren mit dann 80 000 nötigen Unterschriften.
Die geforderte Gesetzesänderung birgt Zündstoff. Danach sollen Landesentwicklungsprogramm und Staatsvertrag mit Berlin – dort läuft ebenfalls eine Volksinitiative mit dem gleichen Ziel – so geändert werden, dass in Schönefeld „Tagflug, aber kein planmäßiger Nachtflug stattfindet.“ Und: „Dabei soll der nationale und internationale Luftverkehrsanschluss für Berlin und Brandenburg nicht allein auf den Ballungsraum Berlin konzentriert werden.“ Was gemeint ist, findet sich in der Begründung: „Die beabsichtigte Neuregelung macht es ferner möglich, nächtliche Flugbewegungen insbesondere im Charter- und Pauschalreiseverkehr auch an anderen Standorten durchzuführen.“ Im Kern geht es um Vorbereitungen für Sperenberg oder Jüterbog als Ersatz für Schönefeld, nicht kurzfristig, aber „in zehn, fünfzehn Jahren“, erläuterte Schubert gemeinsam mit Vertretern der anderen Bürgerinitiativen. Zuletzt hatte man dies auf einer Anhörung der CDU-Landtagsfraktion in Rangsdorf formuliert, nach der CDU-Landes- und Fraktionschefin Saskia Ludwig eine „Kursänderung“ ihrer Partei beim vorher uneingeschränkt unterstützen Schönefelder Airport versuchte, inzwischen aber wieder zurückruderte. Zwar hält Ludwig daran fest, dass Schönefeld eine „Fehlentscheidung“ war. Aber sie wiederholt nach heftigen Protesten aus Partei und Wirtschaft nicht mehr, dass die Standortfrage etwa bei einer Erweiterung des Flughafens wieder offen sei oder dass die Union im Landtag einem absoluten Nachtflugverbot zustimmen könnte. „Das ist inkonsequent“, sagte Schubert als Sprecher der beteiligten Bürgerinitiativen. Bei der Unterschriften-Übergabe im Landtag war Grünen-Fraktionschef Axel Vogel, aber kein Vertreter der CDU-Landtagsfraktion erschienen. Für die Bürgerinitiativen ist die Stoßrichtung klar, dass es einen neuen Standort geben muss, wenn in Schönefeld die Kapazitätsgrenze von 27 Millionen Passagieren jährlich erreicht ist. „Dann muss man einen weiteren Flughafen bauen, in Jüterbog Ost oder in Sperenberg“, sagte Schubert. „Dann wird Schönefeld geschlossen.“
In den neuen Hauptstadt-Airport investieren Bund, Berlin und Brandenburg rund 2,8 Milliarden Euro Steuergelder, davon 2,4 Milliarden Euro über langfristige Kredite.
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