Brandenburg: 45 Meter Mythos
Zwei Jahre nach dem Tunnel-Coup in der Steglitzer Volksbank werden die Täter gesucht. Eine Spurensuche
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Berlin - Was da vor genau zwei Jahren in Berlin-Steglitz, nicht weit vom Kreisel, passierte, war kein perfektes Verbrechen. Denn die Polizei weiß, wie es geschah, und sie konnte reichlich Einbrecherschweiß mehrerer Männer für ihre DNA-Datenbank sichern. So muss nur einer dieser Täter mit seiner DNA anderswo aktenkundig werden, und schon ist der Fall des Tunnel-Coups in der Volksbank-Filiale Wrangelstraße gelöst. Nur: Das ist bisher nicht passiert.
Am 14. Januar 2013 wurde das Verbrechen entdeckt, das allgemein als spektakulär bezeichnet wurde, obwohl es das Gegenteil davon war: Über Wochen oder sogar Monate hatte niemand auch nur bemerkt, dass da ein paar Bergbau-Profis aus einer mit falschen Papieren gemieteten Tiefgarage einen 45 Meter langen Tunnel in die Bankfiliale gruben. Unterwegs unter dem Parkplatz machten sie einen offenbar ungeplanten Knick – und drangen am zweiten Januar-Wochenende präzise und mit schwerem Gerät in den Schließfachraum vor, räumten einen Teil der Fächer leer und verschwanden völlig unbemerkt.
Der Wert der Beute, Bargeld, Münzen, Schmuck und Goldbarren, wurde mit den 294 betroffenen Eigentümern auf zehn Millionen Euro beziffert – ein Haufen Geld, aber doch nicht so viel, dass es einen so aufwendigen Einbruch unbedingt rechtfertigen würde. Deshalb kursierten anfangs Vermutungen, die Einbrecher könnten es, gestützt auf Insider-Informationen, auf etwas Spezielles abgesehen und die anderen Fächer nur zur Ablenkung geknackt haben, doch es blieb Gerücht.
Als die Polizisten alle Ermittlungsansätze aus 800 Hinweisen abgearbeitet hatten, taten sie, was deutsche Polizisten in dieser Situation tun: Sie wandten sich an „Aktenzeichen XY“. Auch das führte zu nichts, die Akte wurde anschließend faktisch geschlossen; 50 000 Euro Belohnung, ausgelobt von Bank und Versicherung, blieben unangetastet. Die konkreteste Spur waren Holzwinkel, mit denen die Bretter im Tunnel abgestützt worden waren, die eindeutig aus Polen stammten. Doch diese Spur verlief ebenso im Steglitzer Sande wie die Fahndung mit einem Phantombild eines Täters.
Ermittelt wird also nicht mehr, verhandelt schon. Und zwar zwischen den Geschädigten und der Bank. 1,8 Millionen Euro wurden relativ problemlos ausgezahlt, nämlich an jene 57 Kunden, die eine eigene Schließfachversicherung abgeschlossen hatten. Die anderen mussten verhandeln, und sie tun es zum Teil noch. Die Bank hat ihnen eine Kulanzlösung vorgeschlagen, mit 110 aber noch keine Einigung erzielt.
Kompliziert war aber auch schon die Ausgangslage. Denn die Einbrecher hatten die Fächer nicht sauber geleert, sondern viele Stücke verschmolzen, anderweitig beschädigt oder einfach nur liegen gelassen; es blieben einzelne Perlen, Kettenteile oder Geldscheine zurück. 3229 einzelne Objekte waren das, und nur für gut die Hälfte konnten die Eigentümer zweifelsfrei ermittelt werden.
Der Fall weckte Erinnerungen an den wesentlich dramatischeren Bankraub in Schlachtensee 1995. Damals hatten Gangster eine Filiale der Commerzbank überfallen, 16 Geiseln genommen und 17 Millionen Mark Lösegeld erpresst. Sie verschwanden durch einen 150 Meter langen Tunnel, den sie vorher selbst gegraben hatten. Dieser Fall hatte aber ein Happy End, die sechs Täter wurden nach fünf Wochen ermittelt und zu hohen Haftstrafen verurteilt. Neun Millionen Mark blieben verschwunden. Als die ersten Täter freikamen, war aber auch die Mark selbst nicht mehr da. Bernd Matthies
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