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Brandenburg: 5000 Bürger dürfen am 26. Oktober nicht wählen

Verfassungsgericht hat Zwangsfusion von 15 Gemeinden in Spree-Neiße gestoppt/Anhörungen der Bürger versäumt

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Verfassungsgericht hat Zwangsfusion von 15 Gemeinden in Spree-Neiße gestoppt/Anhörungen der Bürger versäumt Von Michael Mara Potsdam. Eine peinliche Affäre überschattet die Kommunalwahlen in Brandenburg am 26. Oktober: In 15 Gemeinden des Amtes Neuhausen bei Cottbus (Landkreis Spree-Neiße), die mit dem Wahltag aufgelöst werden und zu einer Großgemeinde verschmelzen sollten, muss die Wahl des Bürgermeisters und der Gemeindevertreter ausfallen. Der Grund: Das Verfassungsgericht hat die Zwangsfusion gestoppt, weil die in der Verfassung vorgeschriebenen Bürger-Anhörungen versäumt wurden. SPD und CDU streiten nun, ob Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) oder Landrat Dieter Friese (SPD) für die Panne verantwortlich sind. CDU-Sprecher Sven Petke nannte es gestern „ärgerlich, dass Pflichtversäumnisse des Landrates vermeidbare Belastungen für 15 Gemeinden nach sich ziehen“. Hingegen sprachen die SPD-Landtagsabgeordneten Ulrich Freese und Dietmar Woidke von einer „schweren Niederlage“ für Schönbohm. Er habe immer wieder ernst zu nehmende Kritik am Verfahren zur Gebietsreform ignoriert. Auch hätte sein Ministerium die Pannen rechtzeitig bemerken müssen. Leittragende sind die 5000 betroffenen Bürger, weil aufwendige Wahlvorbereitungen umsonst waren und sie jetzt zweimal wählen müssen: Denn die Wahl des Kreistages Spree-Neiße findet wie geplant statt. In den 15 Klein-Gemeinden sind hingegen laut Urteil wie gehabt eigenständige Vertretungen zu wählen. Dies kann jedoch, da zwischen Wahlbekanntmachung und Wahltag eine 130-Tage-Frist liegen muss, erst im nächsten Jahr passieren. Der Neuhausener Amtsdirektor Dieter Perko kritisierte die Bekanntgabe des Urteils wenige Tage vor dem Wahltag. Das Verfassungsgericht wisse im Zusammenhang mit den Klagen aller 18 Gemeinden seines Amtes gegen die Gebietsreform seit dem Sommer, dass die Anhörungen in 15 Gemeinden unterblieben seien. Generell wertete Perko das Urteil aber „als Sieg von 15 Gemeinden über die Arroganz der Landesregierung“, die sich über den Willen der Gemeinden hinweggesetzt habe. Der Wermutstropfen sei, dass die anderen drei Gemeinden seines Amtes – Groß Gaglow, Gallinchen und Kiekebusch – erst einmal Cottbus zugeschlagen würden. Hier habe es, da Anhörungen durch das Innenministerium stattgefunden hätten, keine Beanstandungen gegeben. Ursache der Panne ist offenbar, dass Innenministerium und Landrat die Gesetze unterschiedlich ausgelegt haben. Das Innenministerium ist nach eigenen Angaben nur dann für die Anhörungen zuständig, wenn durch Neugliederungen Kreisgrenzen verändert werden. Dies sei zwar bei den drei Gemeinden der Fall, die in Cottbus eingegliedert würden, nicht aber bei den übrigen 15. Landrat Friese hält entgegen, er habe zu keiner Zeit davon ausgehen können, dass für die Anhörung der Bürger der übrigen 15 Gemeinden des Amtes Neuhausen/Spree „der Landrat zuständige Anhörungsbehörde ist“. Das Innenministerium habe auf die erkennbare Nichtanhörung der Bevölkerung durch den Landrat in keiner Weise reagiert. Warum dies nicht passiert ist, ist bisher nicht geklärt. Die SPD fordert jetzt, das gesamte Gesetz über den Neuzuschnitt der 18 Gemeinden im Landtag neu zu behandeln. Die CDU will ein neues Verfahren allenfalls für die 15 Gemeinden akzeptieren, in denen es keine Anhörungen gab. Das letzte Wort hat allerdings das Verfassungsgericht, das über die Klagen aller 18 Gemeinden im Grundsatz-Verfahren noch entscheiden muss.

Michael Mara

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