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Brandenburg: 64 Kilometer Kapitalanlage
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt will auch in Brandenburg Autobahnen von privanten Betreibern bauen lassen. Die Landesregierung ist nicht begeistert
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Potsdam – Auf den sechsspurigen Ausbau des nördlichen Berliner Rings und der A24 bis Neuruppin wartet Brandenburg seit Jahren. Im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen steht das Projekt schon lange, doch bislang fehlte das Geld dafür. Nun will Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dieses und andere Straßenbauprojekte deutschlandweit von Kapitalanlegern über Versicherungen und Rentenfonds privat finanzieren lassen. In Brandenburg trifft dieses Modell einer öffentlich-privaten Partnerschaft auf wenig Begeisterung, die Landesregierung hat sich von derartigen Finanzierungsstrategien wegen schlechter Erfahrungen längst verabschiedet.
Infrastrukturministerin Kathrin Schneider sagte den PNN, Brandenburg habe ein Interesse an einem gut ausgebauten Straßen- und Autobahnnetz. Für den sechsspuringen Ausbau der nördlichen A10 und der A24, wo der Verkehr wegen Brandenburgs Transitlage in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, habe die Straßenbauverwaltung bereits Baurecht geschaffen. Besonders der Zustand der A24 erfordere eine „zeitnahe Realisierung“. Erstmals soll nun nach Dobrindts Plänen in Brandenburg ein privater Betreiber für Bau, Erhaltung und Betrieb einer Autobahnstrecke über einen Zeitraum von 30 Jahren zuständig sein. Finanziert werden soll der Bau mit Geld von privaten Anlegern, dann zahlt der Bund, der aktuell die Einführung einer Maut erwägt, die fertige Strecke in Raten ab.
Schneider äußerte auch Bedenken: Nicht nur der 64 Kilometer lange Autobahnabschnitt, sondern auch 31 Brücken müssten gebaut werden. Zudem habe der Investor die Pflicht, Anwohner „mit umfangreichen Lärmschutzmaßnahmen vor dem zu erwartenden Verkehrslärm zu schützen“. Tatsächlich organisieren Bürger etwa im Raum Birkenwerder (Oberhavel) schon jetzt massiven Widerstand wegen fehlenden Lärmschutzes.
Trotz aller Skepsis zeigte sich Schneider offen für Dobrindts Pläne. „Wenn der Bund der Auffassung ist, dass der Ausbau der Autobahnen auf Basis einer öffentlich-privaten Partnerschaft gut geeignet ist, dann werden wir uns als Auftragsverwaltung einem solchen Vorhaben nicht verweigern“, sagte Schneider. „Über den Einsatz der Mittel entscheidet letztendlich der Bund.“ Gegenwärtig werde noch eine vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt.
Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) dagegen ist vehement gegen die Pläne des Bundes. „Die von Lobbygruppen verbreitete und vom Bundesfinanzministerium aufgegriffene Ansicht, dass öffentliche Infrastruktur mit einer privatwirtschaftlich organisierten Betreibergesellschaft in einem besseren Zustand wäre und es zugleich billiger für die Steuerzahler würde, wird sich als Märchen herausstellen“, sagte Görke.
Brandenburgs rot-rote Landesregierung hatte bereits 2011 nach Kritik des Landesrechnungshofes am ÖPP-Modell im Herbst 2011 festgelegt, dass keine Bauten mehr auf diese Weise in Landesregie finanziert und gebaut werden sollen. Grund für die Abkehr vom ÖPP-Verfahren waren schlechte Erfahrungen mit Kostensteigerungen oder nur eine geringe Ersparnis gegenüber einem Bau in Staatsregie. Maßgeblich vorangetrieben hatte Ex-Finanzminister Rainer Speer (SPD) das Modell in Brandenburg.
Bei ÖPP-Verfahren geht es um öffentliche Investitionen von Bund, Ländern oder Kommunen – aber nicht direkt finanziert und realisiert vom Staat. Unternehmen mit dem besten Angebot bekommen den Zuschlag für den Bau, errichten die Gebäude oder Straßen – und betreiben und unterhalten sie über einen Zeitraum von 30 Jahren. Die öffentliche Hand mietet oder least dann die Gebäude oder Autobahnen. Danach gehen sie an den Staat über. Der Theorie nach, die noch vor der Finanzkrise im Zuge der Privatisierungen und Sparmaßnahmen als vielversprechend galt, sollte der Staat dabei sparen. Grundgedanke ist der „Lebenszyklus“ von Bauten: Wenn Bau, Finanzierung und Unterhalt, Instandsetzung aus einer Hand erfolgen, kann es effizienter sein – muss es aber nicht, wie sich auch in Brandenburg zeigte.
Auch auf Bundesebene ist Dobrindts Vorstoß umstritten (siehe Interview). Dobrindt hat deshalb einen neuen Weg vorgeschlagen. Demnach soll sich die Rendite der Privatinvestoren nicht mehr wie bisher nach dem Verkehrsaufkommen richten. Entscheidend soll sein, wie schnell die Strecken fertig werden und ob sie im Laufe einer Vertragsdauer von 30 Jahren möglichst ohne Baustellen sind. „Bei Einschränkungen werden die monatlichen Vergütungen reduziert“, heißt es in einem Papier des Bundesverkehrsministeriums. Dobrindt spricht von einer neuen Generation öffentlich-privater Partnerschaften. Drohende Abschläge für nötige Reparaturen und Sperrungen sollen zu hohen Qualitätsanreizen schon beim Bau der Strecken führen. Start für das neue Modell soll noch in der laufenden Legislatur, also bis 2017, sein. Dobrindt spricht von einem mehrere Milliarden Euro schweren Investitionspaket, um „den Stau auf unseren Straßen zu beseitigen“.
Brandenburgs Finanzminister Görke glaubt nicht, dass die Idee funktioniert. „Unterm Strich sind solche Vorschläge Auswüchse des Fetischs der schwarzen Null“, sagte Görke mit Blick auf die Sparvorgaben von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). „Man sollte meinen, dass wir alle von den neoliberalen Märchen nach der Finanzkrise geheilt sind.“
Görkes Rechnung geht ganz anders als Dobrindts. Und die lautet, viele Steuerzahler werden am Ende die Verlierer, wenige private Kapitalanleger die Gewinner sein. Denn große private Kapitalanleger wie Versicherungen würden sich nicht mit geringen Zinsen für ihren Kapitaleinsatz zufrieden geben, sondern eine hohe Rendite erwarten. Damit werde Dobrindts ÖPP-Modell auch für den Steuerzahler teurer. Dabei könne der Bund solche Straßenbauprojekte günstiger über den Haushalt oder Kredite finanzieren, zumal die öffentliche Hand geringere Zinsen am Kapitalmarkt zahle. Zudem warnt Görke, dass mit Dobrindts Modell Ausgaben der öffentlichen Hand für aktuelle Infrastrukturprojekte langfristig gebunden werden und künftige Generationen mit den Kosten belastet werden.
nbsp;Alexander Fröhlich
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