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Gebäudereiniger sollen künftig von den Kommunen Mindestlohn erhalten.

© dpa

Von Alexander Fröhlich: 7,50 Euro pro Stunde vorgeschrieben

Brandenburgs Regierungskoalition legt Eckpunkte des Vergabegesetzes fest

Stand:

Potsdam – Trotz interner Warnungen vor juristischen Unwägbarkeiten und drohenden Klagen haben die Spitzen der rot-roten Regierungskoalition am vergangenen Freitag Eckpunkte des Vergabegesetzes festgelegt. Damit werden künftig in Brandenburg öffentliche Aufträge von Land und Kommunen zwingend an die Zahlung eines Mindestlohns von 7,50 Euro pro Stunde durch private Unternehmen geknüpft, was ein zentrales Wahlkampfversprechen von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) war.

Die Koalition will mit dem neuen Gesetz, das erst 2011 kommen soll, nun auch kommunale Aufträge daran binden, wofür das Land einen Ausgleich an die Kommunen zahlen muss. Die Höhe ist aber strittig. Bei der Koalitionsrunde am Freitag in Potsdam war von zwei bis fünf Millionen Euro die Rede. Schlimmstenfalls könnte die Einbeziehung der Kommunen den Landeshaushalt aber mit 15 bis 30 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich belasten, hieß es. Intern werden bereits Warnungen laut, dass das Vergabegesetz nach dem Schüler-Bafög und dem öffentlichen Beschäftigungssektor der dritte „politische Rohrkrepierer“ von Rot-Rot wird. Der Städte- und Gemeindebund kündigte an, gegen das Gesetz zu klagen. „Wir werden uns vor dem Verfassungsgericht wiedersehen, was ich sehr bedauere, denn das politische Anliegen ist richtig, wird nun aber zunichte gemacht wird“, sagte Verbandsgeschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher am Sonntag.

Bislang hatte der von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) vorgelegte, in der Koalition als zu liberal kritisierte Gesetzentwurf auf Freiwilligkeit gesetzt. Den Kommune sollte freigestellt werden, ob sie das Gesetz für ihre Aufträge anwenden. In den Koalitionsfraktionen regte sich Widerstand, die Klausel wird nun verschärft. Danach sollen auch kommunale Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die ihren Beschäftigten einen Bruttolohn von mindestens 7,50 Euro pro Stunde zahlen.

Dies soll einen „Flickenteppich“ verhindern, da zwei Drittel der öffentlichen Aufträge von Kommunen stammen.

Maßgeblich für den Entschluss, die Kommunen zu entlasten, ist ein für die Landesregierung erstelltes Gutachten des Potsdamer Verfassungsrechtlers und früheren brandenburgischen Verfassungsrichters Matthias Dombert. Demnach kann das Land nicht einfach die Mindestlohn-Vorgabe an die Kommunen durchstellen. Dombert stellte nun fest, worauf auch der Städte- und Gemeindebund immer gepocht hatte – dass das Land den Mehraufwand der Kommunen komplett zahlen muss. Denn nach dem Konnexitätsprinzip muss der Gesetzgeber als Verursacher für finanziellen Ausgleich für die von ihm aufgetragenen Aufgaben sorgen.

Rot-Rot will aber nur einen Ausgleich von bis zu fünf Millionen für den vermehrten Bürokratieaufwand der Kommunen aus Landesgeld zahlen – und weicht damit erheblich vom Gutachten ab. Demnach müsste das Land auch die tatsächlichen Mehrkosten für den Mindestlohn bei Kreisen, Städten und Gemeinden tragen, was die Fachleute von Rot-Rot bezweifeln. Der Städte- und Gemeindebund rechnet dagegen mit bis zu 30 Millionen Euro.

Vertreter von Fraktionen und der Regierung sind auf Klagen gegen ihre Kostenentscheidung eingestellt. „Die Diskrepanz zum Gutachten ist da. Das sind Restrisiken“, hieß es aus der Koalitionsrunde am Freitag, bei der Wirtschaftsminister Christoffers, Arbeitsminister Günter Baaske (SPD), die Spitze des Innenministeriums sowie die Finanz-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsexperten der beiden Landtagsfraktionen teilnahmen. „Mindestlohn nur für Aufträge des Landes, das macht keinen Sinn“, hieß es. Eine „abschließende Bewertung“ liege nicht vor, es seien „verschiedene Zahlen im Raum“, die Koalition werde „eine faire Lösung vorlegen“. Dazu gehöre eine „ehrliche Rechnung“, weil die Kommunen durch den Mindestlohn bei den Kosten für Hartz-IV-Aufstocker bei Arbeitnehmern ohne auskömmlichen Lohn sparen. Wichtig sei das politische Signal.

Warnungen vor den verfassungsrechtlichen Bedenken wollten die Koalitionsvertreter nicht gelten lassen, woran es regierungsintern auf Fachebene Kritik gibt. Beim Vergabegesetz werde nach dem Motto verfahren: „Das ist politisch gewolltes Prestigeprojekt – das muss gehen.“ Auch Wirtschafts- und Innungsverbände warnen vor dem unbeherrschbaren bürokratischen Aufwand besonders in kleinen Firmen und Kleinstbetrieben. Betroffen sind Wachschützer, Gebäudereiniger, Grünanlagen-Firmen und Kurierdienste, sie hatten erhebliche Bedenken geäußert. Denn die Pflicht, etwa beim Putzen in öffentlichen Gebäuden einen anderen Lohn zahlen zu müssen, als bei privaten Auftraggebern könne absurde Folgen für den Nachweis der Arbeitsstunden je nach Auftraggeber haben. Schon vor Monaten hatte die Innung vor der Gefahr gewarnt, dass einzelne Mitarbeiter, die weniger in öffentlichen Gebäuden eingesetzt werden, ihren Arbeitgeber wegen Ungleichbehandlung verklagen. Im Extremfall müssten sich kleine Unternehmen entscheiden, ob sie nur noch bei privaten Auftraggebern oder bei der öffentlichen Hand putzen gehen. (mit pet)

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