Brandenburg: Abteilungsleiter verteidigt Regresskurs
Im Streit um Fahrtenbücher und Steuernachforderungen schickt Markov seinen Abteilungsleiter vor
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Potsdam - Es ist ein bemerkenswerter Vorgang: In der Regressaffäre um Regierungs-Dienstfahrten und angeblich unzureichend ausgefüllte Fahrtenbücher äußert sich nun auch das Finanzministerium erstmals näher zu dem umstrittenen Vorgang und verteidigt sein rigides Vorgehen. Es ist aber nicht Finanzminister Helmuth Markov (Linke) selbst, er hatte mit seiner harten Gangart und Steuernachforderungen frühere und amtierende Staatssekretäre und Minister vergrätzt. Es ist auch kein Sprecher des Hauses. Vorgeschickt wurde nun Robert Oppermann, der Leiter der für Steuern zuständigen Abteilung 3, um mit der Nachrichtenagentur dpa zu sprechen.
Wie berichtet bittet das Finanzministerium mehr als 20 ehemalige und aktive Regierungsmitglieder wegen unpräziser Angaben in den Fahrtenbüchern in den Jahren 2007 bis 2010 rückwirkend zur Kasse, obwohl für die beanstandete Praxis das Finanzministerium selbst verantwortlich war. Es geht stets nur um Dienstfahrten und keineswegs um kaschierte Privatfahrten. Laut Oppermann wurden dienstliche und private Fahrten ordentlich auseinandergehalten, niemand habe sich Vorteile erschlichen. Dennoch kommen auf die Regierungsmitglieder horrende Steuernachzahlungen zu.
„Es ist eine gewisse Nachlässigkeit und ein mangelndes Problembewusstsein gewesen“, sagte Oppermann. So fehlten in den betroffenen Fahrtenbüchern der Minister und Staatssekretäre genaue Adressen, Behörden, Firmenbezeichnungen, also Zielorte und Gesprächspartner. Es gebe aber „lohnsteuerrechtliche Pflichten, die erfüllt werden müssen“, sagte Oppermann. Fahrtenbücher müssten das ganze Jahr über korrekt und zeitnah geführt werden. In einem Extremfall habe ein Betroffener für die Zeit von Montag bis Freitag eine Strecke von 500 gefahrenen Kilometern angegeben, als Fahrtziele seien „Brandenburg“ und „Potsdam und Umgebung“ angegeben. Problematisch nannte es der Abteilungsleiter, wenn als Fahrtziel schlicht nur Berlin angegeben worden sein. „Berlin ist groß“, sagte Oppermann. Bei der Prüfung habe das Ministerium aber nur werten können, was tatsächlich den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Die beanstandeten Angaben in den Fahrtenbüchern seien nicht falsch, sondern einfach unvollständig.
Häufen sich in den Büchern Fehler, erkennen die Finanzämter die eingereichten Unterlagen nicht an und es kommt pauschal die sogenannte Ein-Prozent-Methode zum Zuge, wonach der Nutzer eines Wagens monatlich ein Prozent des Bruttolistenpreises inklusive Sonderausstattung als geldwerten Vorteil, als Einnahme anzugeben hat. Bei teureren Wagen, wie sie von den Regierungsmitgliedern gefahren werden, wirkt sich das finanziell bei der Steuerberechnung deutlich ungünstiger aus als die Berechnung nach Fahrtenbuch.
Oppermann relativierte auch in der Öffentlichkeit kursierende Summen. Zwar würden diese auch schon mal fünfstellig ausfallen, lägen aber unter den genannten angeblichen 80 000 Euro. Bei Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) standen zwischenzeitlich Steuernachforderugen in Höhe von 50000 im Raum. Der Abteilungsleiter bemerkte dazu nur trocken: „Die Größen, die im Raum stehen, sind alle überzogen.“ Und: „Das Pingelige stammt nicht von uns.“
Ein Urteil des Bundesfinanzhofes will das Ministerium nicht abwarten. Die Richter haben zu befinden, ob mithilfe von Terminkalendern lückenhafte Angaben in Fahrtenbücher geheilt werden könnten. Das Ministerium aber meint, den Richterspruch nicht abwarten zu dürfen, und verweist auf ähnliche Fälle in Rheinland-Pfalz und im Bund.
Eine Gruppe früherer Regierungsmitglieder droht dem Land wegen der Steuernachforderung mit Schadenersatzklagen. Sie pochen auf Vertrauenschutz durch die bisherige Praxis. Denn erstmals seit 1990 wurden die Fahrtenbücher von Ministern und Staatssekretären überhaupt geprüft. Überdies besteht kein Zweifel, dass es Dienstfahrten waren – die das Ministerium nun als privat wertet.
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