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Brandenburg: Abwesenheitsnotiz
Brandenburg ging den Bund wegen Datensätzen zu Flüchtlingen hart an. Doch bei einem entscheidenden Treffen fehlte Potsdam. Die CDU findet das unseriös und stümperhaft
Stand:
Potsdam - Brandenburg hat mit der Forderung zur Offenlegung der Flüchtlingsdaten des Bundesamtes für Migration (BAMF) gegenüber den Sicherheitsbehörden kürzlich bundesweit Schlagzeilen gemacht. Doch ganz so ernst scheint die Landesregierung die von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) vorgegebene harte Law-and-Order-Linie im Anti-Terror-Kampf nicht zu nehmen. Stattdessen glänzte Brandenburg am vergangenen Freitag bei einem von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) anberaumten Treffen der Sicherheitsexperten von Bund und Ländern, die die angeblichen Mängel bei der Identitätsprüfung der Flüchtlinge und der Feststellung gefälschter Pässe im Asylverfahren klären sollten, durch Abwesenheit. Das musste Schröter am Donnerstag auf eine dringende Anfrage der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg einräumen.
Was war geschehen? Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg hat, so wurde es vor fast zwei Wochen bekannt, in mehreren Musterverfahren vor den hiesigen Gerichten die Beschlagnahme der BAMF-Daten von Flüchtlingen beantragt. Konkret ging es um die Datensätze von 18000 Flüchtlingen, die bis Ende 2015 unkontrolliert von der Bundespolizei nach Brandenburg gekommen waren. Rautenberg begründete sein Vorgehen als Präventionsmaßnahmen gegen IS-Terroristen, die getarnt als Flüchtlinge ohne oder mit gefälschten Pass nach Deutschland gelangt sein könnten. Das zeigten mehrere IS-Anschläge in Europa und ausgehobene Zellen von IS-Schläfern in der Bundesrepublik. Er wolle sich nicht vorwerfen lassen, so Rautenberg, nicht alles getan zu haben, um einen Anschlag zu verhindern.
Doch Rautenberg scheiterte mehrfach vor den Gerichten, die wie auch das BAMF die Beschlagnahme für unverhältnismäßig hielten. Der Vorgang gelangte an die Öffentlichkeit. Innenminister Schröter und seine Amtskollegen aus Bayern und Mecklenburg-Vorpommern polterten los: Der Vorwurf stand im Raum, die Identitätsprüfungen des BAMF seien nicht gründlich gewesen und gefälschte Pässe nicht erkannt worden. Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) sagte den PNN am Donnerstag, er unterstütze das Vorgehen des Generalstaatsanwaltes. Denn einigen Bundesländern gebe das BAMF die Daten, anderen nicht. Es gehe dabei also um Gleichbehandlung. Zugleich dürfte niemand – neben dem Terrorverdacht – einfach mit gefälschtem Auslands-Pass in Deutschland unterwegs sein.
Jedenfalls hatte Bundesinnenminister de Maizière eine umfassende Prüfung angekündigt – auch weil Brandenburg einigen Wirbel gemacht hat. Nur warum fehlt es dann ausgerechnet bei den Bund-Länder-Gesprächen? Zu dem Treffen auf Abteilungsleiterebene war auch Brandenburg angemeldet. Nach PNN-Informationen gab es weder eine kurzfristige Zuschaltung per Telefon, noch eine Stellungnahme zur eigenen massiven Kritik an der Bundesbehörde. Brandenburg habe sich nicht einmal kurzfristig abgemeldet, hieß es in Berlin. Dabei habe sich die Runde durchaus Informationen aus Potsdam gewünscht, was die Brandenburger Behörden denn wissen von gefälschten Pässen und den Daten von 18000 Flüchtlingen.
Die Begründung von Innenminister Schröter, der grimmige Blicke seines Regierungschefs Dietmar Woidke (SPD) auf sich zog, war trivial: Die Abteilungsleiterin sei am Vorabend des Treffens erkrankt. Auch ihr Vertreter sei verhindert gewesen. Allzu wichtig schien dem Ministerium auch nicht gewesen zu sein, was bei dem Treffen herauskam. Erst nachdem die CDU-Fraktion ihre dringende Anfrage gestellt hatte, erkundigten sich Schröters Mitarbeiter beim Bundesinnenministerium. Und Schröters Sprecher bekundete, dass der vorherige Pressewirbel und die Klagen gegen das BAMF ja von Generalstaatsanwalt Rautenberg in Gang gesetzt worden sei. Als hätte das Innenministerium nichts damit zu tun, dass vor Rautenberg schon die Polizei aktiv war und dann an den obersten Staatsanwalt im Land übergab.
Der Innenexperte der CDU-Landtagsfraktion, Björn Lakenmacher, wunderte sich am Donnerstag nur noch. „Der Generalstaatsanwalt hat mit Zustimmung der Landesregierung in der Öffentlichkeit eine große Ankündigung gemacht. Als der Bund und die Länder etwaigen Missständen auf den Grund gehen wollten, fehlte Brandenburg als einziges Bundesland unentschuldigt“, sagte Lakenmacher den PNN. „In den Medien Stimmung machen, aber die Zusammenarbeit mit Bund und Ländern schwänzen – das ist Brandenburgs aktionistischer Umgang mit der Registrierung von Flüchtlingen. Wir finden das unseriös und stümperhaft.“
Generalsstaatsanwalt Rautenberg wollte sich am Donnerstag nicht mehr zu den Vorgängen äußern. Es hätte genug Wirbel gegeben. Zudem bestehe ja Hoffnung, dass Bewegung in die Sache komme. Und so kam es. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat beschlossen, den Informationsfluss zwischen dem BAMF und den Ländern zu verbessern. Zudem solle bereits bei der Erstregistrierung von Flüchtlingen besser auf vorhandene Personaldokumente geachtet werden. Bei einer Zentralstelle beim BAMF sollen die Länder die Daten nun anfordern können. Aus Teilnehmerkreisen hieß es aber auch, die Vorwürfe aus Brandenburg hätten sich nicht erhärtet. Nur in Einzelfällen habe das BAMF gefälschte Pässe nicht erkannt.
Politisch hat das Thema dennoch weiter Sprengkraft. Laut Schröter könne die Bundesbehörde nur bei der Hälfte der Asylbewerber die Dokumente prüfen – die andere Hälfe hat gar keine. Und von den vorhandene Pässen – das bestätigten auch Stichproben anderer Bundesländer – seien etwa vier bis fünf Prozent gefälscht. Das hat übrigens nicht zur Konsequenz das Asylanträge vom BAMF gleich abgelehnt werden, immerhin werden Anträge dann vertieft geprüft. Die Bundesländern fordern laut Schröter, bei erwartbarer Abschiebung die Identitäten bereits im Asylverfahren zu prüfen. Nach Ansicht des Bundes ist die Identität für das Asylverfahren zweitrangig, zunächst gehe es um das Herkunftsland.
nbsp;Alexander Fröhlich
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