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Brandenburg: Affäre Wischnath: Kirche gibt heimliche Überprüfung zu Erst geleugnet, dann gebeichtet: Bischof Huber informierte Superintendent erst später über Treff mit Verfassungsschutz

Cottbus. So richtig kann Wolfgang Huber seinen gegenwärtigen Winterurlaub wohl nicht genießen.

Von Sandra Dassler

Cottbus. So richtig kann Wolfgang Huber seinen gegenwärtigen Winterurlaub wohl nicht genießen. Trotz zahlreicher Anfragen wollte sich der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg auch gestern nicht zum Streit um den Cottbuser Generalsuperintendenten Rolf Wischnath äußern. Dieser ist empört, weil die Kirchenleitung ihn zunächst ohne sein Wissen auf eine Tätigkeit für den DDR-Staatssicherheitsdienst überprüft hat. Bischof Huber hatte zuvor erklärt, dass diese Prüfung gemeinsam mit Wischnath stattfand, und sich der Verdacht „wie erwartet“ nicht bestätigt habe.

Wischnath aber fühlt sich hintergangen. Sein Bischof hatte offenbar zugestimmt, dass der Konsistorialpräsident Uwe Runge – in Kirchenkreisen nicht gerade als Freund Wischnaths bekannt – sich in Köln mit Vertretern des Bundesamtes für Verfassungsschutz traf. Hubers Sprecher Reinhard Lampe bestätigte jetzt dem Tagesspiegel, dass dieses Treffen tatsächlich Anfang August stattfand, Wischnath aber erst Mitte September von Huber und Runge über den Verdacht gegen ihn informiert wurde. Dafür habe es schlichte organisatorische Gründe gegeben, sagte Lampe: Einer der drei Kirchenleute sei immer im Urlaub gewesen. Außerdem habe sich Konsistorialpräsident Runge in Köln erst einmal kundig machen wollen, ob der Verdacht gegen Wischnath überhaupt eine Grundlage habe. Schließlich hatte sich dieser, wie viele Kirchenleute, schon nach der Wende von der Gauck-Behörde überprüfen lassen – sogar mehrfach.

Dass der aus Nordrhein-Westfalen stammende Wischnath jetzt in Verdacht geriet, hängt mit der Auswertung der so genannten Sira-Datenbank durch die Evangelische Kirche zusammen. „Sira“ war sozusagen das elektronische Inventarverzeichnis der Akten, die von der Stasi-Auslandsabteilung (HVA) angelegt und in der Wendezeit fast komplett vernichtet wurden. 1998 wurde „Sira“ durch Computerexperten wieder hergestellt, doch in dem Verzeichnis standen nur Decknamen. Die dazugehörige Klarnamendatei, die so genannte „Rosenholz“-Kartei, hatte sich der US-Geheimdienst CIA gesichert. Nur scheibchenweise gelangten in den vergangenen Jahren Informationen daraus an den Bundesverfassungsschutz und – nach einer Intervention der rot-grünen Bundesregierung – auch an die Gauck-Behörde.

In der Sira-Datei hatten sich Hinweise auf eine Quelle mit dem Decknamen „Theologe“ gefunden. Die entsprechende Akte enthält sechs von Experten als „dürftig“ eingeschätzte Berichte. Sie beziehen sich unter anderem auf die Kontakte zwischen der westdeutschen Evangelisch-reformierten Kirche und der Friedensbewegung der DDR.

Rolf Wischnath, der in Göttingen Theologie studierte und unter anderem als Pfarrer in Soest arbeitete, hat nie verheimlicht, dass er seit 1963 häufig in der DDR war. Als Mitglied des Sozialistischen Hochschulbundes, der SPD und verschiedener Friedensgruppen hatte er nach eigenen Aussagen auch Kontakte zu DDR-Bürgern.

Dass das ausgereicht habe, um ihn als Stasi-Spitzel zu verdächtigen, wertet der Cottbuser Generalsuperintendent als Vertrauensbruch. Dabei kann sich Wischnath der Unterstützung durch viele Kirchenleute sicher sein – mehr noch: „Rolf Wischnath ist nicht nur bei Christen sehr beliebt, seine klaren Worte zu politischen und sozialen Fragen stehen unserer Kirche gut zu Gesicht“, sagt der Spremberger Pfarrer Johann Jakob Wergin.

Mit den klaren Worten ist seit gestern erst einmal Schluss. „Ich darf mit Ihnen über diese Angelegenheit nicht mehr reden“, sagte Rolf Wischnath auf Tagesspiegel-Anfrage. In Kirchenkreisen ist von einem „Maulkorb“ durch seine Vorgesetzten die Rede.

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