Brandenburg: Agenda gegen Wachstumsschmerzen
Brandenburgs Wirtschaft boomt – Unternehmerverbände fordern von Regierung mehr Anstrengungen
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Potsdam - Die Wirtschaft in Brandenburg hat trotz steigender Löhne immer größere Probleme, offene Stellen zu besetzen. Vor gerade mal sechs Jahren habe es im Schnitt 39 Tage gedauert, einen geeigneten Bewerber zu finden, inzwischen sind es 109 Tage, sagte Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) am Donnerstag in Potsdam. „Und das liegt nicht an der unzureichenden Bezahlung.“ Zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl in Brandenburg fordert die Wirtschaft von der rot-roten Landesregierung in Potsdam ein stärkeres Engagement gegen den Fachkräftemangel, beim immer noch viel zu langsamen Breitband-Ausbau, aber auch bei beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere für die rund 280 000 Pendler zwischen Berlin und Brandenburg. Der Boom bringt Probleme mit sich. Brandenburg brauche daher eine „neue Agenda für Wachstum“, sagte Amsinck: „Das Tempo beim Ausbau der digitalen Infrastruktur reicht nicht aus.“
Nach einer Prognose des UVB werden in Brandenburg – ein Trend der letzten Jahre setzt sich fort – in diesem Jahr zwar 9400 zusätzliche Jobs entstehen, allerdings nur 100 in der Industrie. Die größten Zuwächse werden bei Pflegeheimen mit 1500 neuen Stellen erwartet, bei Lagerei/Post- und Kurierdiensten sind es 1300 Stellen mehr, bei industrienahen Dienstleistungen 1000 und in der Baubranche 900.
Die entscheidende Frage werde sein, ob es gelinge, die neuen Jobs zu besetzen, warnte Amsinck. Ähnlich sehe es bei der Ausbildung aus, wo im Vorjahr in Brandenburg 1800 Lehrstellen nicht besetzt werden konnten. Vor Jahren hätten sich drei Bewerber um eine Lehrstelle gerissen, sagte Amsinck, inzwischen liege das Verhältnis bei Eins zu Eins. „Und alles geht in die Richtung, dass sich die jungen Leute die Lehrstellen aussuchen können“, sagte der Chef der Unternehmensverbände.
Das demografische Problem wird sich, was für die Unternehmen schwierig wird, in den kommenden Jahren weiter deutlich verschärfen. 181 000 Arbeitnehmer in Brandenburg sind aktuell 55 Jahre alt oder älter, dem stehen 130 000 Arbeitnehmer unter 30 Jahren gegenüber, sagte Amsinck.
Amsinck wies auf eine aktuelle Statistik zur Lohnentwicklung hin, nach der in Brandenburg insbesondere seit 2010 die Zahl der Gut- und Mittelverdiener mit einem Bruttoeinkommen von 3000 Euro aufwärts gestiegen ist, während die Zahl der Billigjobs unter 1000 Euro brutto im Monat massiv zurückgegangen sei.
Trotzdem würden Fachkräfte knapp. Die Unternehmen behelfen sich, in dem sie immer mehr Ausländer einstellen. So wurden 8302 von rund 18 500 neuen Stellen im Jahr 2016 mit Ausländern besetzt, was einem Anteil von 44,7 Prozent entspricht. Sie kommen nach UVB-Angaben vor allem aus osteuropäischen EU-Ländern, vor allem aus Polen oder auch aus Bulgarien. Inzwischen hätten auch 14 00 Flüchtlinge – aus den wichtigsten acht Asylländern – in Brandenburg einen sozialversichungspflichtigen Job, hieß es.
Im Pressegespräch formulierte Amsinck auch Erwartungen der Unternehmensverbände an die rot-rote Landesregierung. Er forderte Berlin und Brandenburg auf, die Bedingungen für Pendler zwischen beiden Ländern zu verbessern. „Wir wünschen uns, dass das von beiden Landesregierungen engagierter aufgegriffen wird“, sagt er. Man könne kurzfristig mehr tun, etwa längere Züge einzusetzen und den Takt der Regio- und S-Bahnverbindungen dichter zu gestalten. Für den neuen Hauptstadtflughafen setzt der UVB darauf, dass der BER hoffentlich doch 2018 starten könne. Er werde dringend gebraucht, sagte Amsinck. Es sei klar, dass es dann auf der Berliner Stadtautobahn eng werde. Es spreche daher vieles dafür, wie in München in Spitzenzeiten die Standspur freizugeben. „Da muss man ganz pragmatisch vorgehe“, sagte er.
Zurückhaltend äußerte sich Amsinck zur Debatte um ein Offenhalten des Flughafens Tegel. Er verwies auf Prozessrisiken. „Es würde juristische Auseinandersetzungen geben, mit ungewissem Ausgang.“, sagte der UVB-Chef. Umso wichtiger sei es, „sich auf den BER zu konzentrieren und jetzt die Erweiterung anzupacken“.
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