Brandenburg: Agentenaustausch und Kamele vor dem Landtag Aktionen aus dem „Lehrbuch der modernen Wahlkampfführung“ – ob das beim Wähler ankommt?
Potsdam - So hatte sich die PDS ihre Aktion nicht vorgestellt: Mit Kamelen und einer Ladung Sand vor dem Potsdamer Landtag wollten die Linkssozialisten der SPD-CDU-Koalition eigentlich zeigen, was sie von deren Politik halten – nach dem Motto: „Die Wüste kommt“. Dann aber stürzte PDS-Landtagskandidat Peer Jürgens von einem Kamel, als das Tier durchging, und ein Rettungswagen musste gerufen werden.
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Potsdam - So hatte sich die PDS ihre Aktion nicht vorgestellt: Mit Kamelen und einer Ladung Sand vor dem Potsdamer Landtag wollten die Linkssozialisten der SPD-CDU-Koalition eigentlich zeigen, was sie von deren Politik halten – nach dem Motto: „Die Wüste kommt“. Dann aber stürzte PDS-Landtagskandidat Peer Jürgens von einem Kamel, als das Tier durchging, und ein Rettungswagen musste gerufen werden. Ende eines der vielen Gags, die sich die Parteien in diesem Wahlkampfjahr ausgedacht haben. Manchmal ist auch eine Prise Ostalgie dabei: So ließ sich der Berliner Grünen-Politiker Wolfgang Wieland bei einem „Agentenaustausch“ auf der Glienicker Brücke in Richtung Westen, also nach Potsdam auswechseln, wo er am 19. September bei der Wahl in den Landtag einziehen will. Oft hatten an diesem legendären Schauplatz West und Ost zu Zeiten des Kalten Krieges ihre jeweils aufgeflogenen Spione in Empfang genommen. Die großen Parteien setzen längst nicht mehr nur auf Kundgebungen und Händeschütteln in der Fußgängerzone, weil damit nicht die Masse der Bevölkerung zu erreichen ist. So kamen zu einem Wahlkampfauftritt der CDU-Bundesvorsitzenden Angela Merkel in der Potsdamer Innenstadt gerade einmal einige hundert Zuhörer; viele hatte es zuvor zur Feierabendzeit nach Hause gezogen. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) war obendrein auf Bauernhöfen unterwegs und ließ sich bei der Spargelernte fotografieren – in seiner Funktion als stellvertretender Regierungschef, wie es hieß. SPD-Europakandidat Norbert Glante wusch fernsehgerecht am deutsch- polnischen Grenzübergang Autos, um Stimmen zu gewinnen. Außerdem verkündete er täglich, wo man ihn am Folgetag auf Wählerfang antreffen konnte. Einzig die FDP, die offensichtlich ihr Image von der Spaßpartei loswerden will, hielt sich bislang mit plakativen Aktionen zurück. Agentenaustausch und Kamele vor dem Landtag: „Das steht im Lehrbuch der modernen Wahlkampfführung“, sagt der Potsdamer Politikprofessor Jürgen Dittberner. Seit dem Bundestagswahlkampf 1998, bei dem die SPD mit ihrer „Kampa“ eine amerikanisch geprägte Kampagne führte, setzen die Parteien verstärkt auf öffentlichkeitswirksame Auftritte. Ob das beim Wähler ankommt? „Ich bin da skeptisch“, meint Dittberner. „Gerade das Beispiel „18 Prozent“ (FDP) zeigt, dass man sich auch in die Nesseln setzen kann, wenn man es übertreibt.“ Nach Ansicht von Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, durchschauen es junge Wähler sofort, wenn ein Event keine Substanz hat. „Anbiederei kommt überhaupt nicht an.“ Dittberner findet nach wie vor den klassischen Parteien-Stand in der Fußgängerzone nicht schlecht: Dort könnten die Abgeordneten erfahren, „was die Wähler so denken“. Auch für die Parteien sei der gute alte Stand günstig. „Das kostet praktisch nichts.“
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