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Brandenburg: Airportgegner wollen nach Karlsruhe

Verfassungsgericht könnte Schönefeld-Urteil prüfen / Aus für Tegel und Tempelhof bekräftigt

Schönefeld / Berlin - Mit dem Urteil zum Großflughafen Schönefeld ist möglicherweise noch nicht das letzte Wort gesprochen: Die Anwälte Christian Schöning und Frank Boermann, die nach eigenen Angaben rund 1300 Anrainer vertreten, wollen in den nächsten 14 Tagen über eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts entscheiden. Rund drei Viertel ihrer Mandanten hätten sie damit beauftragt, sagten die Anwälte gestern.

Vor einem Gang nach Karlsruhe wollen die Juristen zwei Fragen prüfen: Zum einen die Bewertung des Landesentwicklungsplans (LEP), also die formale Basis für die Wahl des Standortes in Schönefeld. Das Bundesverwaltungsgericht habe den LEP deutlich anders bewertet als zuvor das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Frankfurt (Oder): Das OVG hatte im Jahr 2002 den LEP für nichtig erklärt, weil die Belange der Anliegergemeinden nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Daraufhin hatte die Planungsbehörde nachgebessert – mit Erfolg, wie das aktuelle Urteil zeigt.

Der zweite Punkt betrifft den Fluglärm. Schon der Vorsitzende Richter in Leipzig hatte beklagt, dass bis heute kein Gesetz klare Grenzen für den zumutbaren Fluglärm definiere. Deshalb musste vor Gericht auf Basis von – umstrittenen – Gutachten darum gestritten werden. Boermann bezeichnete es als „skandalös, dass der Lärmschutz zwar für einen Rasenmäher gesetzlich geregelt ist“, nicht aber für einen Flughafen. Im Fall von Schönefeld halten die Anwälte einen „moralischen Sieg“ für möglich. Der würde bedeuten, dass das Verfassungsgericht von der Politik endlich ein klares Wort verlangt – aber das würde dann erst für zukünftige Projekte gelten.

Die Juristen können das Leipziger Urteil nur da anfechten, wo es Grundrechte der Anwohner – etwa auf Gesundheitsschutz – berührt. Die Ausnahme ist der Nachtflugbetrieb: Hier müssen die Planer nacharbeiten, um die Interessen von Airportbetreibern und Anrainern in ein „ausgewogenes Verhältnis“ zu bringen – und dagegen kann erneut geklagt werden.

Unterdessen gibt es keine Alternative zur Schließung der Flughäfen Tegel und Tempelhof nach der für 2012 geplanten Eröffnung des Airports Berlin-Brandenburg-International (BBI). Das ergibt sich aus der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes. Es hatte eine entsprechende Klagen der Standortgegner abgewiesen, aber ein von den Planern nicht vorgesehenes Nachtflugverbot für notwendig befunden. Auch das Konzept eines abgespeckten Schönefeld-Ausbaus ist mit dem Richterspruch vom Tisch. Der Plan sieht zunächst nur ein zusätzliches Abfertigungsgebäude neben den vorhandenen Anlagen mit Weiterbetrieb von Tegel bis 2020 vor. Erst bis 2020 sollte dann in Schönefeld ein weiteres Terminal zwischen den Start- und Landebahnen entstehen.

Laut Begründung der Brandenburger Planfeststellungsbehörde ist der BBI-Bau in Schönefeld geboten, weil das bestehende Flughafensystem die zu erwartenden Verkehrssteigerungen nicht bewältigen kann. Außerdem würden bei Schließung von Tegel und Tempelhof die Umweltbelastungen und das erhöhte Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung an den dicht besiedelten innerstädtischen Standorten deutlich verringert. Jeder dieser Gesichtspunkte sei auch für sich allein nach der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts „geeignet, den Neubau eines Flughafens zu rechtfertigen“, heißt es dazu in der Urteilsbegründung.

Der Schönefeld-Ausbau sei unter Beibehaltung der beiden innerstädtischen Flughäfen nicht gerechtfertigt, so die Richter. Die Behörde habe mit dem Planfeststellungsbeschluss die landesplanerische Standortentscheidung umgesetzt, wonach das Ausbauvorhaben und die Schließung von Tegel und Tempelhof „einander bedingen und untrennbar miteinander verbunden sind“. Das Gericht teilte die Auffassung der Behörde, dass „eine endgültige Verhinderung der Schließung“ beider Stadtflughäfen nicht zu erwarten sei. Das genüge den Anforderungen an die Planrechtfertigung und werde im Fall Tegel auch durch die Abweisung der Klage mehrerer Luftverkehrsgesellschaften bestätigt. Ob der City-Airport Tempelhof bereits vorzeitig geschlossen wird, blieb für das Urteil ohne Relevanz. Unter dem Gesichtspunkt der Planrechtfertigung sei „auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme“ des BBI abzustellen, heißt es in der Begründung.

Nach dem so genannten Konsensbeschluss der Flughafengesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg soll Tempelhof bereits nach Eintreten von Rechtssicherheit für den BBI-Bau geschlossen werden. Diese liegt jetzt mit dem Urteil der Leipziger Richter vor. Nachdem die vom Land Berlin verfügte Entlassung aus der Betriebspflicht für den City-Airport vor Gericht gescheitert war, hat die Flughafengesellschaft einen neuen Schließungsantrag für Ende März 2007 gestellt. Die Luftfahrtbehörde hat daraufhin jetzt eine neue Anhörung der betroffenen Flughafennutzer gestartet. Stefan Jacobs/Rainer W. During

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