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Alleine. Unter den Flüchtlinge sind auch Minderjährige ohne Eltern. Für sie hat Deutschland eine Fürsorgepflicht.

© dpa

Minderjährige Flüchtlinge in Brandenburg: Allein im fremden Deutschland

Brandenburg rechnet mit 1500 minderjährigen Flüchtlingen, die allein ins Land kommen. Potsdam will sich verstärkt um sie kümmern. Doch sind die brandenburgischen Behörden vorbereitet?

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Potsdam - Die Flüchtlingsströme nach Deutschland reißen nicht ab. Unter den vielen Menschen auf der Flucht sind auch Tausende Minderjährige ohne Begleitung von Eltern oder Verwandten. Für die unter 18-Jährigen hat Deutschland laut Gesetz eine besondere Fürsorgepflicht. Ihnen nur ein Dach über dem Kopf zu bieten und Deutschunterricht zu organisieren, reicht da bei Weitem nicht aus. Denn in der Bundesrepublik herrscht Schulpflicht bis zum 16. Lebensjahr. Zudem dürfen allein geflüchtete Jugendliche bis zum Erreichen der Volljährigkeit nicht aus Deutschland abgeschoben werden. Wie werden die Behörden mit der neuen Situation fertig? 

Zukünftig werden auch minderjährige Flüchtlinge nach dem Königssteiner Schlüssel verteilt

Brandenburg hatte bisher nur jene minderjährigen Flüchtlinge aufnehmen müssen, die direkt in die Mark kamen. Nach Informationen des Brandenburger Bildungsministeriums lag deren Zahl jährlich bei etwas über 100. Für die Zukunft gehen erste Schätzungen von einer bald zehnmal größeren Anzahl pro Jahr aus. Denn ab 1. November werden auch allein in Deutschland ankommende Kinder und Jugendliche wie erwachsene Flüchtlinge nach dem Königsteiner Schlüssel auf alle Bundesländer verteilt, anteilig nach Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl. Zuständig sind dann die Jugendämter in den Landkreisen.

Doch nicht in allen betroffenen Behörden ist man schon mit den Vorbereitungen so weit. „Das wird bei uns wohl ein etwas holpriger Start“, bekennt die Vize-Landrätin des Kreises Teltow-Fläming, Kirsten Gurske (parteilos). „Wir haben die dafür nötigen Strukturen einfach noch nicht.“ Aus der Uckermark verlauteten ähnliche Probleme.

„Da hätten einige Landkreise und auch das Land Brandenburg selbst zügiger in die Vorbereitung gehen können“, sagt Martin Isermeyer, Jugendamtsleiter im Kreis Oder-Spree. Seine Behörde war bisher für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zuständig. Die meisten von ihnen fanden in der Diakonie-Einrichtung Alreju in Fürstenwalde ein neues Zuhause. Doch die 65 Plätze dort sind schon lange belegt.

Jeder minderjährige Flüchtling braucht einen Vormund

„Im vergangenen Jahr hatten wir 122 minderjährige Flüchtlinge ohne Begleitung unterzubringen, in diesem Jahr bereits mehr als 400“, macht Isermeyer deutlich. Zwangsläufig musste er andere Landkreise um Unterstützung bitten. Insgesamt 40 Jugendliche aus der Zuständigkeit des Jugendamtes Oder-Spree konnten beispielsweise in der kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder) untergebracht werden – im Eurocamp am Helenesee sowie in einem Schüler-Internat des Gauss-Gymnasiums.

„Wir sind gut vorbereitet und haben das im Griff“, sagt Frankfurts Sozialdezernent Jens-Marcel Ullrich (SPD). Vier zusätzliche Stellen für den allgemeinen sozialen Dienst wird er eigenen Angaben nach künftig brauchen, denn der sei jetzt schon überlastet. Die Ausschreibung läuft. Jeder betroffene minderjährige Flüchtling bekommt gesetzlich vorgeschrieben einen Vormund, der ihn durch das Asylverfahren begleitet. Auch ein Interessenbekundungsverfahren für freie Träger von Jugendhilfeeinrichtungen zur Unterbringung der Minderjährigen ist laut Ullrich eröffnet. Am liebsten sind ihm Träger, die entsprechende Immobilien für Unterkünfte gleich mitbringen. Noch ist alles offen, doch der Frankfurter Dezernent bleibt optimistisch.

Unterbringung in Pflegefamilien vorgeschlagen

„Von den fachlichen Ansprüchen und der Motivation her kann das Frankfurter Jugendamt diese Aufgabe bewältigen“, sagt auch Martin Patzelt (CDU), einstiger Oberbürgermeister von Frankfurt(Oder) und heutiger Bundestagsabgeordneter. Sorge bereitet ihm jedoch das fehlende Fachpersonal - Sozialpädagogen oder Psychotherapeuten für traumatisierte junge Flüchtlinge etwa. „Ausschreibung hin oder her – der Markt ist leer. Wo sollen die denn auf einmal alle herkommen?“, sagt Patzelt, der für die CDU-Fraktion Berichterstatter zum Thema unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist.

Der gebürtige Frankfurter, der selbst zwei afrikanische Flüchtlinge aufgenommen hat, plädiert für eine Unterbringung und Betreuung der allein geflüchteten Kinder und Jugendlichen in Pflegefamilien. Die Familie spiele ohnehin in den Kulturen, aus denen die jungen Ausländer kommen, eine viel größere Rolle. Sprachbarrieren würden schnell verschwinden und eine tatsächliche Integration beginnen.

„Ich weiß von einigen Bekannten, dass sie das gern machen würden“, sagt Patzelt. Dieses Interesse kann auch das Brandenburger Bildungsministerium bestätigen, rät aber zur Besonnenheit und verweist auf die zuständigen Jugendämter, die das in jedem Einzelfall prüfen müssten. 

Jeanette Bederke

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