zum Hauptinhalt

POSITION: Alleinerziehend – alleingelassen?

Alleinerziehend zu sein darf kein Grund sein, sozial an den Rand gedrängt zu werden Von Andreas Büttner

Stand:

Du bist doch alleinerziehend!“ Das waren die Worte meines Bruders kürzlich zu meiner Frau. Mein Bruder nahm Bezug darauf, dass ich durch meine politische Arbeit in der Woche und oft am Wochenende nicht zu Hause bin. Tatsächlich könnte man das zunächst so sehen, da meine Frau sich um unsere vier kleinen Kinder kümmert, den Haushalt schmeißt und auch noch am Oberstufenzentrum eine Ausbildung zur Erzieherin macht während ich weitestgehend in Potsdam oder in anderen Landesteilen unterwegs bin. Die Aussage stimmt jedoch nicht wirklich, da ich meine freie Zeit natürlich mit meiner Familie verbringe.

Dies haben Alleinerziehende in der Regel eben nicht. Viele müssen eine Doppelbelastung durch Kinderbetreuung und Beruf schultern, oft ohne Unterstützung durch ein familiäres Umfeld. Dabei hat das Sozioökonomische Panel 2009 festgestellt, dass sie kaum weniger Zeit auf die Kinderbetreuung verwenden als Mütter in Paarfamilien. Das ist eine großartige Leistung. Alleinerziehende gehören deshalb auch zu den Leistungsträgern der Gesellschaft. Aber wir sehen die Familienform „Alleinerziehend“ oft als eine soziale Randgruppe. Das ist die Gruppe der Alleinerziehenden nicht. Fast jede vierte Familie gehört in Brandenburg zu dieser Gruppe. Ihr Anteil hat seit 2007 im Verhältnis zu allen Familien stetig zugenommen.

Alleinerziehende wollen arbeiten, können aber oft nur Teilzeitarbeitsplätze, die schlechter bezahlt sind und kaum Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Auch die Armutsgefährdung von Alleinerziehenden ist dreimal so hoch wie die Armutsgefährdung im Durchschnitt aller Haushalte. Hier sollte die Politik handeln. Als meine Fraktion, die FDP-Fraktion, während der Haushaltsberatungen beantragt hatte, die Kita-Mittel für die Kommunen zu erhöhen, um auch 24-Stunden-Kitas oder flexible Tagesmütterbetreuung zu finanzieren, da wurde mir hinterher auf den Fluren des Landtages gesagt, dass doch die Großeltern einspringen könnten. Nein, das können sie eben nicht! Erstens sind die Großeltern nicht immer in der Nähe oder gesundheitlich in der Lage, die Betreuung der Kinder zu übernehmen und zweitens will man sich auch nicht immer abhängig machen von den Großeltern, so gerne man sie auch hat. Auch meine Frau und ich haben eine gewisse Zurückhaltung, wenn wir meine Eltern fragen, ob sie wieder einmal die Kinder betreuen können.

Besondere Schwierigkeiten müssen Alleinerziehende bewältigen, wenn der Elternteil, der unterhaltsverpflichtet ist, seiner Verantwortung nicht nachkommt. Leider sind dies meist die Väter. Für solche Fälle springt der Staat ein und zahlt einen Unterhaltsvorschuss, damit die Kinder nicht darunter leiden müssen. Der Staat holt sich den Unterhaltsvorschuss vom Schuldner zurück, aber darin ist das Land Brandenburg besonders schwach. In der Debatte des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie im September 2011 wurden den Abgeordneten Zahlen von 2008 vorgelegt, obwohl es längst Zahlen für 2009 und 2010 gibt. Vergleicht man die Ergebnisse über die Jahre, stellt man fest: in Brandenburg sank die Rückholquote seit 2008 mit 15 Prozent über 2009 mit 14 Prozent auf 13 Prozent in 2010.

Was kann die Politik also tun? Eine reine Sachstandsbeschreibung löst die Probleme nicht, Politik muss handeln! Ziel muss es sein, Alleinerziehende aus dem Teufelskreis „Geringes Einkommen – Teilzeitjob – geringe Aufstiegschancen – Altersarmut“ herauszuholen. Dazu gehört, dass Aus- und Fortbildungen so gestaltet werden, dass Alleinerziehende diese auch besuchen können. Aufstieg durch Bildung muss auch für Alleinerziehende möglich werden.

Es fehlt an flexiblen Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Landesregierung rühmt sich einer hohen Versorgungsdichte. Gegenüber den alten Bundesländern stimmt das zwar, aber wie sind die tatsächlichen Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen? Wo kann Frau ihr Kind nach 20 Uhr abholen? Wo gibt es Wochenendöffnungszeiten? Projekte wie das „Kinderhotel“ in Prenzlau sind leider die Ausnahme. Hier sind Land und Kommunen gefordert, flexible Betreuungsmöglichkeiten zu unterstützen, um Kinder auch in den frühen oder späten Tagesstunden versorgt zu wissen.

Im ländlichen Raum fehlen ÖPNV-Verbindungen. Wer sein Kind 30 Kilometer zur nächsten Schule fahren und mittags wieder abholen muss, um dann zum Arbeitsplatz zu fahren, verbringt Stunden auf der Straße. Das kostet Zeit und Geld und faktisch bleibt nur die Möglichkeit eines Teilzeitjobs. Die Unterstützung von zielgenauen und kreativen Angeboten, wie dem Rufbussystem oder auch von Bürgern selbst organisierte Systeme, wie zum Beispiel Bürgerbusse oder auch Fahrgemeinschaften helfen den Menschen im ländlichen Raum jedoch besser als starre Angebote, die wenig Flexibilität zulassen und oftmals am Bedarf vorbeigehen, was die Auslastung einzelner Strecken deutlich zeigt.

Familiennetzwerke, die helfen können, fehlen oftmals. Umso mehr sollten ehrenamtliche Großelterndienste und andere Vereine unterstützt werden. Aber auch hier spart die Landesregierung, obwohl sich Investitionen durch höhere Erwerbsquoten und geringeren Bedarf an Sozialleistungen auszahlen würden.

Politik für Alleinerziehende muss Rahmenbedingungen verbessern, um den alleinerziehenden Leistungsträgern die Chancen zu geben, die sie brauchen. Wir können es uns als Land nicht erlauben, die hohe Leistungsfähigkeit und die Qualität der Alleinerziehenden brachliegen zu lassen. Dabei geht es uns Liberalen darum, insbesondere neue, kreative, von den Bürgern getragene Lösungen zu unterstützen, die flexibler sind als alle starren staatlichen Lösungen, die in den letzten Jahren letztlich versagt haben.

Der Autor ist Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag Brandenburg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })