
© Doris Spiekermann-Klaas
Von Ralf Schönball und Cay Dobberke: Alles für den guten Ton
Mit anspruchsvollen Konzepten trotzen Hi-Fi-Hersteller und Händler der Konkurrenz der Massenanbieter
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Berlin - Ausgerechnet der Ingenieur, der die teuersten Stereoanlagen der Welt herstellt, sagt: „Niemand möchte diese ganze Technik haben.“ Das ist für ihn kein Widerspruch: Technik sei doch nur ein Mittel zum Zweck, „um in Musik zu baden“, sagt Dieter Burmester. Trotzdem haben seine Geräte längst Kultstatus: Eigentümer eines 30 Jahre alten Vorverstärkers der Berliner Manufaktur bekommen dafür heute mehr als den damaligen Preis – wenn sie verkaufen. Aber das tut eigentlich niemand.
Auf der 50. Internationalen Funkausstellung (IFA) war Burmester nicht vertreten – wie auch die meisten anderen Berliner Hersteller und Händler. Denn anders als früher spiele der Hi-Fi-Bereich bei der IFA nur noch eine Nebenrolle, sagen sie. Der Schwerpunkt liegt heute mehr bei der Fernseh- und Videotechnik.
Burmester benötigt die Messe als Schaufenster nicht: 2009 schloss seine Firma mit einem Überschuss von einer Million Euro ab. Die addiert sich zu einem Gewinnvortrag von fast zwei Millionen Euro. Erdrückt ihn da nicht die Steuerlast? „Wir würden uns wünschen, dass Kapital erst bei der Entnahme aus Firmen versteuert wird“, sagt Burmester. Denn die Gewinne braucht er, um seine Entwicklung zu finanzieren. „Und in finanziellen Dingen bin ich stockkonservativ“, sagt er. Kein Kredit, keine Heuschrecke, sondern Wachstum aus eigener Kraft mit eigenem Geld.
Der Unternehmer ist soeben Großvater geworden, denkt aber nicht an einen Rückzug aus der Firma. „Ich platze vor Ideen!“ 2011 bringt er einen Webserver heraus, um Musik aus dem Internet zu laden. Außerdem rüstet nun auch Burmester Autos mit Musikanlagen aus. Bei ihm geht es allerdings um auserlesene Luxuslimousinen wie den Supersportwagen Bugatti Veyron. Wo Burmester einmal anfing – seinen ersten Verstärker baute er für den eigenen Bedarf – steht heute der 43-jährige Ingenieur Stephan Schulz: „Ich bin mein bester Kunde“, sagt der Geschäftsführer von „Raumfeld“. Mit seinem Produkt beseitigt er das Ärgernis von Bewohnern großer oder mehrstöckiger Wohnungen: dass nicht in jedem Raum dieselbe Musik spielt. Eine Raumfeldanlage sendet Musik drahtlos zu den Lautsprechern. Auch die gute alte Stereoanlage lässt sich anschließen. Gesteuert wird alles von einer Fernbedienung – oder per iPhone.
Neun Mitarbeiter, davon drei in Teilzeit, ein Firmensitz in Kreuzbergs früherer Bechstein-Fabrik und Geld von der Investitionsbank Berlin sowie vom High-Tech-Gründerfonds in Bonn – Raumfeld ist ein Start-up mit globalem Fokus: Produziert wird in Fernost. Die Lieferung der ersten 1000 Komponenten wird seit Februar an Kunden ausgeliefert. Vielleicht erlebt seine Firma ja eine Erfolgsgeschichte wie die Ur-Berliner Firma Teufel. So heißt das Unternehmen, das Peter Tschimmel Ende der 70er Jahre als eine Art Ikea der Hi-Fi-Branche gründete: ein Versand erstklassiger Lautsprecherbausätze, deren Gehäuse die Kunden der ersten Stunde noch im Baumarkt zuschneiden lassen mussten. Gut, günstig und selbstgemacht – das kam prächtig an. Als einer der ersten gründete Tschimmel 1997 einen Onlineshop. Seit vier Jahren ist er Privatier, der Finanzinvestor „Riverside“ übernahm die Firma in der Schöneberger Bülowstraße.
„Die Belegschaft hat sich seit 2007 verdreifacht“, sagt Thorsten Reuber. Er führt die Geschäfte seit kurzem für den zweiten Finanzinvestor „HgCapital“. Der Eigentümer „greift bewusst nicht ins Tagesgeschäft ein“, sagt Reuber. Allenfalls „strategische Fragen“ würden im Aufsichtsgremium verhandelt. Eine davon war die Erweiterung des Angebots: Die „Cinebar“ ist eine kompakte Heimkinoanlage, die unter den Fernseher gelegt werden kann und so im Verborgenen den meist dünnen Klang von Flachbildschirmen aufpeppt.
Neben den Herstellern prägen traditionsreiche Fachgeschäfte die Berliner Hi-Fi-Szene jenseits der Elektronikmärkte. Dazu gehört „HiFi im Hinterhof“ an der Kreuzberger Großbeerenstraße. „Wir führen keine ganz billige Technik, haben uns aber immer als Volksladen begriffen“, sagt Jochen Bormann, einer der drei Geschäftsführer. Das Geschäft mit 23 Mitarbeitern und 18 Vorführstudios besteht seit 30 Jahren. Einen Trend sieht Bormann darin, dass die Kunden ihre Technik „überschaubarer machen“ und „Geräte nicht mehr sakral präsentieren“ wollen. Die Digitaltechnik macht die Miniaturisierung und Vernetzung möglich. In den 90er Jahren spürte „HiFi im Hinterhof“ die wachsende Konkurrenz der Elektronik-Ketten, der Umsatz brach vorübergehend ein. Heute entscheiden sich Kunden aus ganz Berlin gezielt für den mittelständischen Laden. „Zu uns kommen mehr Kunden aus Zehlendorf als aus Kreuzberg“, sagt Bormann.
Vor Jahren hatte die Messe Berlin zur Funkausstellung einmal eine „Lange Nacht des Hörens“ veranstaltet, bei der Interessenten mehrere Hi-Fi-Fachgeschäfte per Shuttle-Bus besuchen konnten. Nun führen Händler die Idee fort: Am 30. Oktober laden sie zur dritten „Langen Nacht der Ohren“ ein. Neben „HiFi im Hinterhof“ ist zum Beispiel „King Music“ in Charlottenburg beteiligt. Geschäftsführer Gerd Lehmann war zuletzt „positiv überrascht von der Resonanz“. Auch bei ihm gibt es „gehobenes HiFi“. Zu den Verbündeten bei der „Langen Nacht“ gehört auch Peter Lützelberger, der Gründer von „PhonoPhono“ in der Bergmannstraße. Seit Ende der 90er Jahre ist er auf Plattenspieler spezialisiert – und trotz des Booms der CD-Player gehen ihm die Kunden nie aus. „Es läuft super“, sagt der Chef. Nur die IFA-Neuheiten interessieren ihn wenig – denn dort ist die Ära der Plattenspieler längst vorbei.
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