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Vornweg. Auf den Demonstrationen am Christopher Street Day wird auch die Flagge Kenias (erste Reihe links) als Beispiel für Homophobie gezeigt. Foto:

© Sebastian Kahnert/dpa

Brandenburg: Angst vor der Abschiebung

Ein Fußballspieler, der aufgrund seiner Homosexualität in Kenia verfolgt wurde, flüchtet nach Deutschland. Asyl soll er nicht erhalten

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In Kenia stehen homosexuelle Handlungen unter Strafe. Auch deswegen floh ein junger Kenianer nach Deutschland: Er wurde geschlagen, die Polizei und Leute aus seiner Umgebung bedrohten ihn. Nun muss er vermutlich nach Kenia zurückkehren – sein Asylantrag wurde zunächst abgelehnt.

„Es ist nichts erkennbar, was ihn von einer Vielzahl anderer junger Männer in Kenia unterscheidet, dass er dort nicht weiter leben kann“, heißt es in dem neunseitigen Schreiben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Der Bescheid zur Ablehnung erging am 30. Mai 2016, eine Klage dagegen läuft noch. Solange die Abschiebung nicht rechtskräftig ist, darf sich der Mann in Deutschland aufhalten – er lebt in einer Flüchtlingsunterkunft in einer mittelgroßen Stadt in Brandenburg.

Dass es Lesben und Schwule in Kenia nicht leicht haben, erkennt das Bamf in dem Schreiben an: „Nicht selten sind kurzzeitige Festnahmen Homosexueller durch die Polizei, in der Regel aufgrund des Vorwurfs der Störung der öffentlichen Ordnung. Homosexuelle bewegen sich in einer Grauzone, in der sie erpressbar sind und schon aufgrund der geltenden Strafbestimmungen eine strafrechtliche Verfolgung nicht ausgeschlossen ist.“ Und trotzdem: „Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt.“

Der Mann, der anonym bleiben möchte, hatte angegeben, 2013 in Kenia verprügelt worden zu sein, weil er beobachtet wurde, wie er einen Mann umarmte und küsste. Die Polizei habe ihn drei Tage eingesperrt. Der Hauptaufseher habe ihm die Strafen vorgelesen, die vollstreckt werden könnten. Darunter sei lebenslange Haft gewesen. Für ein „kleines Geld“ kam er frei. Bis Juni 2014 lebte er weiter in Nairobi, dann flüchtete er über Italien nach Deutschland. Hier lernte er einen Partner kennen, ging mit anderen Schwulen aus, sein Geld verdiente er als Tänzer und Fußballspieler.

Das Amt sieht „eine asylerhebliche Intensität der Verfolgung nicht erreicht“. Die geschilderten Übergriffe seien „in ihrer Gesamtwirkung mit einer schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden Menschenrechte nicht vergleichbar“.

In dem Schreiben wird zwar zugestanden, in Kenia sei „der gleichgeschlechtliche Akt mit Strafe von bis zu 14 Jahren bedroht“ und Homosexuelle würden „in weiten Kreisen der Gesellschaft diskriminiert“. Dennoch heißt es wenig später, dass es jedoch „keine Berichte über die tatsächliche Anwendung des einschlägigen Strafrechts“ geben würde. Dem Auswärtigen Amt seien keine derartigen Fälle bekannt, und auch die kenianische Presse habe seit 1996 nichts Derartiges berichtet. Die Polizei nehme Homosexuelle vor „dem Zugriff des Mobs schützend in Haft“. Um wieder freizukommen, sei es normal, dass Bestechungsgeld bezahlt werden müsse.

Mittlerweile hat sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck des Falls angenommen. „Haarsträubend“ findet er die Reaktion des Amtes. In einem Brief vom 1. Dezember schreibt er an den Bamf-Präsidenten Frank-Jürgen Weise: „Mir erschließt es sich nicht, wie das Bundesamt zu dem Ergebnis kommt, dass dem Mann in Kenia keine Verfolgung wegen seiner sexuellen Orientierung drohe.“ Die sexuelle Orientierung sei im deutschen und europäischen Recht als asylrelevanter Verfolgungsgrund für queere Flüchtlinge anerkannt. „Flüchtlingsrechtliche Vorgaben muss das Bamf ohne Wenn und Aber einhalten“, sagte Beck. Diskriminierung, Stigmatisierung und gesellschaftliche Ächtung seien wegen ihrer schwerwiegenden Folgen eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung.

Weiter sei es keineswegs nachvollziehbar, so sagt der Grünen-Politiker, dass das Bundesamt den Asylantrag mit dem Hinweis ablehne, dass sich Menschenrechtsorganisationen in Kenia für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzten. Verfolgung sei dadurch keinesfalls ausgeschlossen. „Es ist ein Schlag ins Gesicht dieser Aktivistinnen und Aktivisten, wenn ihre Existenz als Beleg dafür herangezogen wird, dass Homosexuellen keine Verfolgung drohe.“ Auf den Brief hat das Bundesamt bislang nicht reagiert. Dieser Zeitung sagte das Amt, der Sachverhalt werde derzeit noch geprüft, der Brief sei erst am 7. Dezember eingetroffen. „Gehen Hinweise beim Bundesamt ein, die Anlass dazu geben, einen Einzelfall erneut zu prüfen, so wird dies – wie in diesem Fall – selbstverständlich vorgenommen.“

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