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Brandenburg: Angst vor Heimatlosigkeit: Bürger gegen Bagger

900 Menschen sollen für den Tagebau Jänschwalde-Nord umgesiedelt werden

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Atterwasch - Ulrich Schulz blickt über die zugefrorene Wasserfläche am Deulowitzer See in Atterwasch. „Diese Idylle soll den Kohlebaggern zum Opfer fallen“, sagt der 50-Jährige und schüttelt den Kopf. Das kleine Dorf Atterwasch ist einer von drei Orten im Landkreis Spree-Neiße, die nach Planungen des Energiekonzerns Vattenfall abgebaggert werden sollen. Kerkwitz und Grabko droht ebenfalls das Aus. Insgesamt 900 Menschen würden umgesiedelt. Schulz liebt seine Heimat, er ist hier geboren und aufgewachsen. Seine Familie lebt seit vielen Generationen in dem Dorf. Doch wenn Schulz an die Zukunft denkt, verspürt er Wut und Ratlosigkeit. Er müsse jeden Tag an die Kohlebagger denken, sagt er. Aus seiner Sicht hat die Landesregierung kein Interesse an den Menschen in der Region. Er sagt: „Wir werden hier mit unseren Ängsten allein gelassen.“ Einige Einwohner hätten bereits aufgegeben und sich mit den Umsiedlungsplänen abgefunden.

Schulz aber will das nicht akzeptieren. „Ich werde bis zum Schluss um mein Zuhause kämpfen“, sagt er. Ihm und seiner Familie werde auch die wirtschaftliche Existenz weggerissen. Seinen kleinen Bauernhof mit den angrenzenden Feldern könne er schließlich nicht mitnehmen.

Dem benachbarten Taubendorf droht zwar keine Abbaggerung, da sich unter dem Ort nicht ausreichend Kohle befindet. „Dafür werden wir zur Halbinsel im Niemandsland“, sagt Ortsvorsteher Jürgen Handreck. Werden die Planungen realisiert, würde der Tagebau das Dorf gleich von drei Seiten umschließen. Im Westen verläuft schon heute der Tagebau Jänschwalde in rund 500 Metern Entfernung. Im Norden würde sich Jänschwalde-Nord bis auf 150 Meter dem Ort nähern. Ein etwas außerhalb liegender Reiterhof fiele den Kohlebaggern zum Opfer. Etwa einen Kilometer entfernt soll in Polen zwischen Gubin und Brody ebenfalls ein Tagebau entstehen.

Die Ankündigung von Vattenfall vom Herbst 2007, neue Tagebaue in der Lausitz aufzuschließen, habe die Region völlig unvorbereitet getroffen. „Wir waren sehr blauäugig“, sagt Handreck, der mit den Vorstehern der Nachbarorte alles rechtlich Mögliche versuchen will, um gegen den Landesentwicklungsplan vorzugehen. Eine Minimalforderung sei, die Abbaugrenze auf 1000 Meter zu den Dörfern zu verlegen, ähnlich wie bei Windkraftanlagen. „Wir sind aber gegen den Tagebau, der unsere Heimat zerstört“, betont er.

In Groß Gastrose sieht es ähnlich aus. Hier verläuft die geplante Abbaugrenze 250 Meter vor den ersten Häusern. Wenn der ehrenamtliche Bürgermeister Wilfried Buder über den vorgesehenen Tagebau spricht, wird er laut: „Ich bin schockiert und erbost!“ Eberhard Dommenz und 17 weitere Einwohner haben bereits aufgegeben. „Wir sind fest entschlossen, hier wegzuziehen“, sagt er. Die Vorstellung, dass die Bagger so dicht vor ihre Tür kommen, sei unerträglich. Allein durch die Ankündigung des Tagebaus sei der Wert der Häuser um 90 Prozent gesunken. „Für unser Leben ist das eine Katastrophe und der wirtschaftliche Ruin“, sagt Dommenz. Viele hofften auf eine ansprechende Entschädigung von Vattenfall und einen Neuanfang weit weg von der Braunkohleförderung. Der Tagebauplan Tagebau habe bereits jetzt einen Keil in die Bevölkerung, da die meisten gern bleiben möchten, sagt Astrid Proske. „Der Zusammenhalt zerbricht.“ Lars Hartfelder

Lars Hartfelder

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