Brandenburg: Anklage: Torben P. sagt nicht die Wahrheit Staatsanwaltschaft fordert vier Jahre Haft für Schläger. Verteidigung beantragt Bewährungsstrafe
Das Urteil gegen Torben P. wird am 19. September erwartet.
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Berlin - Selten in einem Strafprozess ist die Tat so gut geklärt und dokumentiert wie in diesem. „Die Beweislage hebt sich wohltuend von anderen Verfahren ab“, sagt Staatsanwältin Katrin Faust zum Auftakt des gut zweistündigen Plädoyers der Ankläger am Donnerstag im Moabiter Kriminalgericht. „Die Kamera erinnert unbestechlich an das Geschehen.“
Die Kamera. Eigentlich waren es drei, die den Auftritt von Torben P. und des mitangeklagten Nico A. in der Nacht zum Karsamstag einfingen. Berauscht vom Alkohol und sich selbst produzierten sich die jungen Männer vor dem Bahnsteigpublikum, Torben P. sprang hoch zur Anzeigetafel, ließ sich zum Gleisbett herab, bevor es zum Streit mit dem 30-jährigen Markus P. kam. „Ein jugendtypisches, großmännisches Imponiergehabe“, sagt Faust.
Der Geschädigte, auch er mit Alkohol im Kopf, habe auf einer Bahnsteigbank nur seine Ruhe haben wollen, bis sich Torben P. und sein Kumpel zu ihm setzten. So betrunken seien sie nicht gewesen, immerhin hätten sie einen Konflikt herbeigeführt, den das Opfer erkennbar nicht gewollt habe. „Pöbeln und Streit, das hatten sich die beiden auf die Fahne geschrieben.“ Markus P. habe dann zwar als Erster „körperlich reagiert“, doch das, sagt Faust, „war absolut berechtigt“, wie sich aus Zeugenaussagen ergeben hätte.
Dieser Streit, der Grad der Alkoholisierung, die vorgeblichen Erinnerungslücken und das Motiv seien in der sechstägigen Hauptverhandlung noch zu klären gewesen, ansonsten „stand die Wahrheit fest“. Folgt man den Anklägern, hat die Beweisaufnahme die Lage des Täters nicht wesentlich verbessert. Seine Einlassungen zum Alkoholkonsum seien nicht glaubhaft; stimmte, was er getrunken haben wollte, „läge er jetzt im Leichenschauhaus“. Im Gegenteil, die Videoaufnahmen zeigten einen jungen Mann, der noch kontrolliert reagieren konnte. So halten die Ankläger auch die Erinnerungslücken für vorgeschoben, Torben P. hätte detaillierte Auskünfte geliefert, auch unmittelbar nach der Tat, auch gegenüber der Polizei. „Er hatte die Fähigkeit zu zielgerichtetem und strategischem Handeln“. Die Bilder der Tat sprächen eine klare Sprache. Markus P. sei „mit einem absoluten K.O.-Schlag regelrecht gefällt“ worden. Bei den Tritten danach seien ihm die lebensgefährlichen Folgen mindestens gleichgültig gewesen. „Er hat sich entschieden, er wollte den Kopf treffen, stampfend, und er musste gestoppt werden, sonst hätte er nicht aufgehört“, sagt Faust. Hätte nicht der Zeuge Georg Baur eingegriffen, Markus P. wäre womöglich gestorben. Die Tritte hätten „blanke Aggression“ gezeigt.
Oberstaatsanwalt Rudolf Hausmann übernimmt die Strafzumessung. Auch er kommt über den Eindruck aus den Bildern nicht hinweg. Die Tritte, dann ein triumphales Tänzeln wie das eines Kampfsportlers. Hausmann zitiert in seinem Plädoyer einen Artikel, wonach es scheine, als fühle sich der junge Mann in dieser furchterregenden Szene von Kraft und seltener Großartigkeit durchströmt. „Das trifft es sehr gut, auch wenn es nichts, aber auch gar nichts mit einem sportlichen Wettkampf zu tun hatte“. Torben P. habe „skrupellos“ agiert, er betrachte stets sich selbst als Opfer. In erster Linie tue sich der Angeklagte selbst leid. „Wir bedauern es, dass Sie nicht die Kraft gefunden haben, zu Ihrer Tat zu stehen“, sagt Hausmann und fordert vier Jahre Haft. Die Nebenklagevertretung will Strafen für ein härteres Delikt. „Das war ein versuchter Mord“, sagt Anwältin Elke Zipperer, die das Opfer Markus P. vertritt.
Die Verteidiger, Alexander Sättele und Boris Hube, rufen in ihrem Plädoyer erneut Szenen des Tatvideos in Erinnerung. „Ich interpretiere einige Szenen anders als die Staatsanwaltschaft“, sagte Sättele. Das Geständnis von Torben P. sei kein „kalkuliertes Verhalten“ gewesen, er habe versucht, sich zu entschuldigen, mit der Jugendgerichtshilfe voll kooperiert und sei seinen Haftverschonungsauflagen nachgekommen. Zu berücksichtigen seien auch die scharfen Angriffe der Presse. „Die Folgen sind fatal“, die Familie habe auf Anraten des Staatsschutzes umziehen müsse. Nun versuche sich Torben P. eine neue Perspektive aufzubauen. Die Vollstreckung einer Haftstrafe könne die von der psychiatrischen Sachverständigen diagnostizierte latente Suizidneigung vertiefen. Deshalb beantragt die Verteidigung eine Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren auf Bewährung. Das Urteil wird am 19. September erwartet.
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