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Von Andreas Wilhelm: „Annähernd emissionsfrei“

Vattenfall nimmt sein erstes Pilotprojekt zur umweltfreundlichen Kohleverbrennung in Betrieb

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Spremberg - Seit gestern ist im brandenburgischen Spremberg (Spree-Neiße) das weltweit erste Kraftwerk, bei dem bei der Verstromung von Braunkohle fast kein Kohlendioxid mehr direkt in die Luft abgegeben wird, in Aktion. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nahm es zusammen mit der Spitze des staatlichen schwedischen Energiekonzerns Vattenfall in Betrieb. Zumindest in der verhältnismäßig kleinen Pilotanlage wird der größte Teil des klimaschädlichen Kohlendioxids in Tanklaster gepresst und abtransportiert. „Heute schreiben wir Industriegeschichte“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Europe, Tuomo Hatakka, vor der Einweihung. Hatakka betonte nochmals, dass sich das Unternehmen mit der Entwicklung der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) erst am „Anfang einer Marathon-Strecke“ befinde.

Zwei Jahre hat es gedauert, bis die Anlage auf dem Betriebsgelände Schwarze Pumpe in Spremberg fertiggestellt war. 70 Millionen Euro hat der schwedische Konzern bislang investiert. 20 bis 30 weitere Millionen Euro werden es in den kommenden Jahren sein, kündigte Josefsson an. In Jänschwalde, östlich von Cottbus, solle im Jahr 2015 ein weiteres Kraftwerk mit CCS-Technologie „annähernd emissionsfrei“ ans Netz gehen, für das Vattenfall eine Milliarde Euro veranschlagt. In Norwegen und Dänemark laufen weitere Versuchsprojekte mit verschiedenen Technologien der Abscheidung. „Wir sind bereit, noch viele Milliarden zu investieren. Dazu ist allerdings die Partnerschaft mit der Politik notwendig“, sagte Josefsson, der Deutschland in Aussicht stellte, bei der Innovation von CO2-Abscheidungstechnologie weltweit eine führende Rolle einzunehmen.

In der EU liefen für Public-Private-Partnership – also Projekte, die die Kooperation von Industrie und Politik ermöglichen – schon die ersten Vorbereitungen zur Festlegung finanzieller Rahmenbedingungen, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns. Weil das Land auch in Zukunft eine führende Rolle in der CCS-Technologie einnehmen wolle, „machen wir über alle Kanäle Druck in Brüssel“, erklärte der CDU-Politiker. Die Anlage in Spremberg sei indes schon in den vergangenen Tagen erfolgreich gelaufen, berichtete Hubertus Altmann, Technologie-Chef bei Vattenfall. Annähernd 99 Prozent Reinheit habe das CO2 der Pilotanlage, das bereits während des Testbetriebs abgeschieden wurde. Der springende Punkt bleibt aber die Konzeption und die Sicherheit des Transports und der Speicherung. Im brandenburgischen Ketzin laufen noch die Versuche für die Speicherung des flüssigen CO2. Dort wird das Gas drei Kilometer unter der Erde eingelagert. Die Forscher selbst reden von Grundlagenforschung, die dort erst betrieben werde – der Ausgang sei völlig offen, Rückschlüsse auf andere Lagerstätten nur begrenzt möglich. Im großen Maßstab soll künftig das abgesonderte CO2 in ehemaligen unterirdischen Erdgas-Lagerstätten in der Altmark (Sachsen-Anhalt) eingepresst werden. Mit dem Druck, den das eingedrückte Kohlendioxyd in den Kammern aufbaut, soll auch das noch nicht geförderte Erdgas herausgepresst werden.

Die Frage der Lagerung ist jedoch nicht zu 100 Prozent geklärt, was Umweltaktivisten, Naturschutzverbände und die Grünen alarmiert. 100 000 Tonnen des CO2 soll das nun angeschlossene Pilot-Kraftwerk abscheiden, in Jänschwalde sollen es sogar eine Million Tonnen jährlich sein. Doch bis Reservoirs genehmigt sind, wird das Gas mit Tanklastzügen zu Abnehmern in der Nähe gebracht. Die Transporter setzen ebenfalls CO2 frei – auch wenn die Lkw mit Biodiesel fahren, worauf Technologiechef Assmann hinwies. Die Abnehmer verwenden das CO2 dann als Kühlmittel oder für chemische Prozesse. Brandenburgs Landesregierung setzt in der Kohlefrage komplett auf die CO2-Abscheidung: Ohne Einsatz dieser Technik würden keine Braunkohletagebaue und -kraftwerke mehr genehmigt.

Andreas Wilhelm

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