Brandenburg: Auch Lehrer haben Angst vor Mathe
An der HU klappt es offenbar besser mit dem neuen Grundschulstudium als an der FU: Statt 36 Prozent fielen nur zehn Prozent der angehenden Pädagogen bei der Prüfung durch
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Kann das Zufall sein? Das neue obligatorische Studienfach Mathematik für Grundschullehrer führt zu komplett unterschiedlichen Ergebnissen: Während an der Freien Universität (FU) Berlin wie berichtet 36 Prozent der Studienanfänger beim ersten Klausurversuch durchfielen, scheiterte an der Humboldt-Universität (HU) nur jeder zehnte, wie der Fachbereich auf Anfrage mitteilte. Die zuständigen Professoren begründen das gute Ergebnis damit, dass sie sich ganz besonders auf die Bedürfnisse der Studenten eingestellt hätten. Keinesfalls seien die Klausuraufgaben leichter gewesen als an der FU.
„Die Aufgaben sind genauso wie an der FU“, betonte am gestrigen Dienstag Katja Eilerts, Hochschullehrerin für Grundschulpädagogik mit Schwerpunkt Mathematik an der HU. Auch für die Wiederholungsklausur, bei der an der FU 43 Prozent erfolglos waren, wird an der HU nur mit wenigen Durchfallenden gerechnet. Eilerts betont, es sei sehr wichtig, den Studierenden zunächst „die Angst zu nehmen“. Für viele sei das Fach Mathematik nun mal „aus der Schule angstbesetzt“. Es komme sogar vor, dass Väter anriefen, um sich im Vorfeld des Studiums zu erkundigen, ob ihre Töchter das Grundschulstudium mit dem neuen Pflichtfach Mathematik schaffen könnten. „Die Studierenden sollen Spaß und Freude an dem Fach haben“, hat Eilerts in diesem Zusammenhang als Ziel ausgegeben. Daher gebe es auch spezielle Vorkurse, um mögliche Lücken aufzuspüren und – als eine Art Nachhilfe – „Brückenkurse“, um diese zu schließen.
Eilerts kann auf Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen aufbauen, wo Mathematik schon früher als in Berlin Pflichtfach für Grundschullehrer wurde. Auch dort habe es von Anfang an das Problem gegeben, dass Studierende mit Mathematik nicht zurechtgekommen seien. Durchfallquoten von 25 Prozent seien da durchaus vorgekommen.
Eilerts HU-Kollege, der Direktor der Professional School of Education, Detlef Pech, führt das gute Abschneiden des ersten Jahrgangs der Grundschul-Studierenden zudem darauf zurück, dass die Verantwortung für die Didaktik und Fachwissenschaft der Mathematik bei einer Professur am Institut für Erziehungswissenschaften angesiedelt ist und nicht am Institut für Mathematik.
Die Freie Universität Berlin teilte am Dienstag ebenfalls mit, gut aufgestellt zu sein. „Der Fachbereich Mathematik verfügt über eine eigene Professur ,Mathematik für das Lehramt‘, die sich schon länger um ein spezielles Angebot für Lehramtsstudierende kümmert“, teilte Sprecherin Christa Beckmann mit. Über die Dozentin, bei der so viele Studierende durch die Prüfung gefallen waren, sagte Beckmann, dass Christine Scharlach aus dem Lernbereich Mathematik der Grundschulpädagogik, in dem sie lange tätig war, in den Fachbereich Mathematik gewechselt sei, „um auf der fachwissenschaftlichen Seite ein Lehrangebot bereitzustellen, das auf die besonderen Bedürfnisse der Grundschullehrer zugeschnitten ist“. Scharlach, die in Mathematik habilitiert sei und selbst in Grundschulen unterrichtet habe, sei „in besonderer Weise geeignet, die beiden Welten Grundschuldidaktik und Fachwissenschaft zu verbinden“. Die FU sehe sich daher derzeit „personell und strukturell“ sehr gut aufgestellt.
Die Reform des Lehramtsstudiums an Grundschulen war als notwendig erachtet worden, weil Berlins Schüler bei Pisa und sonstigen Vergleichsstudien seit Jahren besonders schlecht in Mathematik abschneiden und zudem überproportional häufig auch beim Schulabschluss an Mathematik scheitern. Die Oberschulen führen dies allerdings auf mangelnde Kenntnisse aus der Grundschule zurück. Für diese Annahme spricht, dass zwei Drittel des Mathematikunterrichts an Berliner Grundschulen von Lehrern unterrichtet werden, die Mathematik nicht studiert haben. Inzwischen gibt es allerdings auch an Sekundarschulen zunehmend weniger Fachlehrer – was eine mögliche Folge der Pensionierungswelle in der Bundeshauptstadt ist. Susanne Vieth-Entus
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