zum Hauptinhalt

Serie Naturerlebnis Brandenburg: Auf Abenteuer-Tour in den Urwald

Der Grumsiner Forst bei Angermünde könnte in Kürze auf der Unesco-Weltnaturerbeliste stehen. Seit 21 Jahren nicht mehr aufgeräumt, sondern die Natur sich selbst überlassen.

Im Urwald gibt es keine Wegweiser. Wer im Grumsiner Forst am östlichen Rand der Schorfheide nicht verloren gehen will, orientiert sich am besten an der uralten Pflasterstraße. Doch auch dieser schon vor Jahrhunderten angelegte Pfad für Fuhrwerke verschwindet immer mehr unter dem Waldboden.

Mancherorts kann man ihren Verlauf nur noch mit den Händen ertasten, weil sich eine dicke Blätterschicht und an einigen Stellen sogar schon ein Teppich aus Buschwindröschen auf das Pflaster gelegt haben. Junge Buchen beginnen an einigen Stellen zu wachsen. Zwischen ihren glatten, schlanken Stämmen schimmert ein See hindurch.

Waldexperte Michael Luthardt führt regelmäßig Besucher durch das Revier. das im schroffen Gegensatz zum gar nicht weit entfernten Werbellinsee steht.

© Claus-Dieter Steyer

Nach dem Blick auf die Landkarte stellt sich eine gewisse Erleichterung ein. Jetzt dürften nur noch zwei Anstiege und ein längere Schlucht folgen, um wieder die Zivilisation zu erreichen. Zwar verzögern noch einige umgestürzte Bäume und das Staunen über schreiende Kraniche, klopfende Spechte und wild umherspringende Rehe das Fortkommen, aber dann ist der Weg durch diesen Buchenwald zwischen dem Werbellinsee und der Stadt Angermünde geschafft.

Die Pirsch auf eigene Faust durch das Gebiet ist nicht ungefährlich. Selbst den Forstexperten Michael Luthardt, beruflich und privat seit Jahren mit dem 670 Hektar großen Areal verbunden, hat es kürzlich fast erwischt. „Neben meinem Stativ fiel plötzlich ein Ast herunter“, erzählt der Landtagsabgeordnete der Linken. „Der hätte mich beinahe getroffen.“

Er kennt natürlich den Grund für die Risiken. „Hier wird seit 21 Jahren nicht mehr aufgeräumt, sondern die Natur sich selbst überlassen. Schließlich durchstreifen wir ein echtes Juwel.“ Eine solche Vielfalt aus bis zu 190 Jahre alten Buchen, einer von den Gletschern der letzten Eiszeit fast gebirgig geformten Landschaft mit Seen und Mooren ist selten.

Genau deshalb steht der jahrhundertelang als bevorzugtes Jagdgebiet abgeschirmte Wald vor der Krönung. Der höchsten internationalen sozusagen, denn am 26. Juni entscheidet die Unesco über die Aufnahme des Grumsiner Forsts in das Weltnaturerbe. Im Antrag der Bundesregierung steht dieser Brandenburger Wald jedenfalls zusammen mit den Nationalparks Jasmund auf Rügen, Müritz in Mecklenburg, Hainich in Thüringen sowie Kellerwald-Edersee in Hessen. Bislang haben aus Deutschland nur das Wattenmeer und die Fossilienfundstätte in der hessischen Grube Messel einen Platz auf der Naturerbeliste erobert. Dort befinden sich Berühmtheiten wie der Grand Canyon, die Galapagos-Inseln oder der Serengeti-Nationalpark.

„Das wäre natürlich irre, wenn wir die Anerkennung mit dem Grumsiner Forst schaffen würden“, sagt Michael Luthardt, der die ersten Fakten für die Bewerbung schon 2006 zusammenstellte. „Nach dem Besuch des Gutachters aus den USA bin ich verhalten optimistisch, dass uns dieser Imagegewinn fürs ganze Land gelingt.“ Im Unterschied zu anderen Gebieten habe bei Grumsin außerdem schon immer Wald gestanden. „Da bildet sich sogar ein eigenes Klima“, erzählt Luthardt: „Wenn die Menschen im Hochsommer bei 32 Grad schwitzen, herrschen in diesem Wald garantiert immer drei Grad weniger.“

Trotz der versteckten Lage dürfte die Zahl der Neugierigen spätestens nach dem Wirbel um das Weltnaturerbe erheblich steigen. Für sie gibt es bislang keine Informationen. In den Gemeinden ringsum schwankt die Stimmung zwischen der Hoffnung auf Touristen und der Skepsis vor einer Abriegelung des Forstes, wie es einige besonders eifrige Naturschützer fordern.

Michael Luthardt plädiert für regelmäßige Angebote von geführten Wanderungen: „Die Menschen sollen sehen, wie kostbar die Natur hier ist“, sagt er: „Dann sind sie auch bereit, sie zu schützen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false