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Auf allen Bahnhöfen will der Senat Kameras – um Straftaten aufzuklären.

© dpa

Brandenburg: Auf dem elektronischen Auge blind

S-Bahn beugt sich nicht dem Druck, flächendeckend Kameras zu installieren. Der Betriebsrat fürchtet die Videoüberwachung der Fahrer, bewegt sich aber

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Berlin - Trotz verstärkten Drucks durch den Senat lehnt die S-Bahn die flächendeckende Kameraüberwachung von Bahnhöfen und Bahnsteigen weiter ab. Dies sei derzeit nicht geplant, sagte S-Bahn-Chef Peter Buchner am Montag. Nur die neun Bahnhöfe, für die die Deutsche Bahn direkt zuständig ist, bleiben kameraüberwacht, weil die S-Bahn dort nichts zu sagen hat. Dies sind Stationen, an denen auch Fern- und Regionalzüge halten. Ob vorhandene Kameras, die für die Zugabfertigung vorgesehen sind, künftig die Aufnahmen aufzeichnen dürfen, hängt vom Betriebsrat ab, der bisher dagegen war. Gestern teilte das Gremium jedoch mit, der Betriebsrat sei nicht grundsätzlich gegen eine Videoüberwachung. Am Sonntag früh konnte die Bundespolizei anhand von Kameraaufnahmen einen Schläger im Ostbahnhof festnehmen.

Begonnen hat die Debatte um verstärkte Kameraüberwachung bei der S-Bahn nach mehreren Gewalttaten in den vergangenen Tagen. Befeuert wird sie nicht nur durch einen jüngsten Fahndungserfolg, bei dem Kameraaufzeichnungen eine maßgebliche Rolle spielten, sondern auch durch eine neue Tat vom Freitag, bei der die Polizei ebenfalls auf entscheidende Erkenntnisse aus der Auswertung von Bildmaterial hofft. Eine Passantin hatte auf dem U-Bahnhof Osloer Straße einen schwer verletzten 19-Jährigen gefunden. Alarmierte Polizisten konnten in der Nähe einen 17- und einen 19-Jährigen festnehmen. Der Jüngere behauptete, dass das spätere Opfer auf dem Bahnsteig auf ihn zugerannt und er von einem Angriff ausgegangen sei. Daraufhin habe er zugeschlagen. Die Polizei wertet nun die Aufnahmen der Kameras aus dem Bahnhof aus. Das Opfer erlitt einen Kieferbruch.

Berlins Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) hatte die S-Bahn jüngst heftig für ihre Weigerung, wie die BVG Kameras installieren zu lassen, kritisiert. Gaebler signalisierte Zweifel, ob die S-Bahn als Verkehrsunternehmen auf Dauer geeignet sei, wenn dort die Privatsphäre der Mitarbeiter mehr zähle als die Sicherheit von Fahrgästen und Personal.

Die Deutsche Bahn setze auf regelmäßige Streifen durch Sicherheitspersonal und Bundespolizei, sagte Susanne Kuhfeld, die Leiterin von DB Lagezentrum. Zudem seien neben den klassischen Aufsichten auf den Bahnsteigen zahlreiche mobile Mitarbeiter unterwegs. Für die 166 Stationen der S-Bahn sind rund 550 Mitarbeiter beim Sicherheitspersonal vorgesehen. Die BVG hat für die 173 Stationen der U-Bahn nach Angaben von Sprecherin Petra Reetz täglich mindestens 140 Sicherheitskräfte im Einsatz.

Während die BVG ihre Aufsichten überall abgezogen hat, sind bei der S-Bahn noch rund die Hälfte der  Bahnhöfe ständig besetzt. Die meisten Mitarbeiter sollen auch hier abgezogen werden, wenn das geplante neue Abfertigungsverfahren für die Züge eingeführt ist. Nur auf 21 Stammbahnhöfen soll es dann noch Personal geben, das aber meist keinen direkten Blick auf den Bahnsteig haben wird. Dies hatte nach PNNl-Informationen der Senat bei den Verhandlungen zum Verkehrsvertrag 2004 gefordert.

Dagegen sprechen sich der Betriebsrat und die Eisenbahner-Gewerkschaft EVG aus. Die S-Bahn müsse sich wieder die „Premium-Sicherheit“ durch Aufsichten leisten, sagte der Berliner EVG-Vorsitzende Klaus Just. Videotechnik sei nicht das „Goldene Kalb“ der S-Bahn-Sicherheit. Diese lasse sich nur mit der Kombination „Technik plus Mensch“ optimieren. Kameras dürften aber nicht zum „Instrument der Arbeitsplatzüberwachung“ der S-Bahn-Beschäftigten werden, sagte Just. So argumentiert auch der Betriebsrat, der deshalb 2008 Verhandlungen mit der Geschäftsführung zur Videoüberwachung platzen ließ. Das Gremium befüchtet, dass auch das Verhalten der Mitarbeiter per Kamera kontrolliert werden könnte. Dabei nehmen die für den Betrieb eingesetzten Kameras den Zug von hinten auf.

Eine flächendeckende Erfassung der Bahnsteige mit Kameras will die Bahn nicht finanzieren. Ihr Vorschlag, dass der Senat rund 1,5 Millionen Euro für die Ausstattung von 23 Bahnhöfen bezahle, sei von diesem abgelehnt worden, sagte Uwe Marxen von der Bahn.

Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix sowie der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Ole Kreins, schlugen vor, mit einer einfachen Vereinbarung auszuschließen, dass Videoaufzeichnungen für arbeitsrechtliche Zwecke verwendet werden. Der Vorsitzende des parlamentarischen Innenausschusses, Peter Trapp (CDU), bezeichnete die Forderung der Bahn als unverschämt. Die Garantie der Sicherheit für die Fahrgäste sei Bestandteil der Leistung, für die die Bahn Zuschüsse des Landes erhalte. Piraten, Linke und Grüne wollen statt mehr Kameras mehr Wachschutz. K. Kurpjuweit/S. Dassler

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