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Brandenburg: Auf dem Weg zur Abzock-Polizei

Thorsten Metzner

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Thorsten Metzner Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm meldet einen traurigen Rekord: Die Polizei hat allein im ersten Halbjahr 11 000 Führerscheine einkassiert – und fast eine halbe Million Autofahrer geblitzt. Eine Million erwischte Temposünder, so viel wie noch nie in der Geschichte des Landes, werden es wohl zum Jahresende sein. Was für eine Dimension! Denn Brandenburg zählt gerade 2,5 Millionen Einwohner, die 1,6 Millionen zugelassene Fahrzeuge fahren. Bleibt es auf ewig das Land der unbelehrbaren Raser, der rücksichtslosen Fahrer, der Grabkreuze an den Alleen? Ist dem nicht wirklich nur durch „flächendeckende“ Überwachung bei zu kommen, wie sie der konservative Law-and-Order-Minister seit 1999 immer gnadenloser durchsetzt? So kann man es sehen - doch so einfach ist es längst nicht mehr. Gewiss, in der bundesdeutschen Unfallbilanz trägt Brandenburg zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor die rote Laterne. Die märkischen Straßen sind immer noch ein besonders gefährliches Pflaster. Und dennoch, die Unfallzahlen gehen seit einigen Jahren spürbar zurück. Starben 1990 noch fast 1000 Menschen bei Unfällen, sind es heute rund 330. Kein Zweifel, das sind immer noch viel zu viele. Trotzdem darf man nach den Gründen fragen, wenn Brandenburgs Polizei in einem halben Jahr plötzlich rund 100 000 Autofahrer mehr blitzt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Schönbohm selbst erklärt den rasanten Anstieg ja damit, dass nicht mehr gerast, sondern lediglich mehr kontrolliert wird als zuvor. Wie das in der Praxis aussieht: Da stehen die Blitzer auf der Autobahn in der Tempo-80-Zone kurz vor dem Tempo-100-Schild, oder an menschenleeren, verkehrsarmen Stellen - wo vor Jahren zufällig einmal Schilder mit Geschwindigkeitsbegrenzungen aufgestellt wurden, aber noch nie ein Unfall passierte. Hauptsache, die Kasse stimmt? Es muss zu denken geben, wenn inzwischen selbst der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft Andreas Schuster von der „Abzock-Polizei“ spricht. In diesem Jahr ist der bisherige Rekord an Bußgeld-Millionen jedenfalls schon garantiert. Aber wie weit soll die Kontroll-Spirale noch gehen? Man darf gewiss sein: Die Zahlen erwischter Temposünder sähen anders aus, wenn das Innenministerium nicht jeden zweiten Euro über dem jährlichen Plansoll - schon eine solche Vorgabe im Haushaltsplan scheint problematisch – für eigene Zwecke behalten dürfte. Wenn in Brandenburg aber inzwischen um jeden Preis geblitzt wird, wenn Polizisten vor allem als Geldeintreiber fungieren, dann hat das mit Verkehrssicherheit nur noch wenig zu tun – und es schadet dem Ruf der Polizei: Es ist nichts anderes als eine moderne Form der Wegelagerei, durch die ein klammer Staat seine Kassen auffüllt. Aber, auch das bleibt eben wahr: Diese „Abzocke“ lässt sich nur legitimieren, solange Brandenburg in der deutschen Unfall-Bilanz zu den Spitzenreitern gehört.

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